Transkript der Podcast-Reihe:
Geschichten für eine lebendige Zukunft

Wenn wir in die Übergangslandschaft dieser Zeit gehen, wenn so vieles ungewiss ist, was sind es dann für Werte, die wir zu unserer Unterstützung brauchen und die uns wieder in Verbindung miteinander und mit der uns umgebenden mehr-als-menschlichen Welt bringen?

Die vergangenen Covid-Jahre haben uns in eine zerrissenere Welt geführt, wobei die anfängliche Reaktion „wir sitzen alle im selben Boot“ rasch verebbte und stattdessen eine soziale Ungleichheit zutage trat, bei der die Armen am meisten litten, und eine Spaltung zwischen Arbeitnehmern, an vorderster Front dem Virus ausgesetzt, und denen im Homeoffice entstand. Dann streuten die sozialen Medien, eigentlich dafür gedacht, uns auf neue Weise zusammenzubringen, Desinformationen und Verschwörungstheorien, und entzweiten uns noch mehr. Und obwohl online-Communities einige Unterstützung boten, können denn Pixel, die vorgeben, Menschen zu sein, die Wärme einer Berührung oder die Nähe bei einer Tasse Tee ersetzen? Wir sind in eine Welt der Entfremdung gelaufen, ohne so recht die Straße zu kennen, auf der wir reisen, und ohne zu wissen, wie wir unseren Weg zurück zu einem Ort der Zugehörigkeit finden.

Ich habe das Glück in einer Ortschaft nahe am Ozean zu leben, wo ich die Leute in den Geschäften kenne, mit der Postangestellten plaudere, wenn ich ein Paket abhole, und der Mechaniker in der Kfz-Werkstatt ein alter Freund ist, der für mich Überstunden macht, wenn die Mäuse in mein Auto eingefallen sind. Hier gab es keinen Streit über Masken, und in den dunklen Tagen der Pandemie versorgte die Community die Bedürftigen mit Essen. Fürsorge und Gemeinschaft verbinden sich in einfachen Handlungen miteinander, und indem wir naturnah leben, sind wir uns der größeren Gemeinschaft bewusst, der wir alle angehören. Wenn ich den Buntspecht mit seinem leuchtend roten Kopf beobachte, wie er sich Samen aus der Futtersäule holt, oder die erst vor kurzem geborenen Kitze draußen vor meinem Fenster grasen sehe, fühle ich mich in vielerlei stiller Weise geborgen. Ich spüre diese Fäden, die uns miteinander verbinden und die mich an das unermessliche Gewebe des Lebens erinnern, das überall ist, vom Wechsel der Gezeiten im Feuchtland bis zu den Blüten des kalifornischen Mohns, die sich gelb und orange zur Sonne hin öffnen.

Liebe und Gemeinschaft kamen unerwartet auf meinen Weg, als ich neunzehn war und meine Sufi-Lehrerin traf. Nach einer grauen Mittelklasse-Kindheit fand ich mich in ihrem kleinen Zimmer in Nord-London sitzend wieder, wo es Liebe gab, zusammen mit Meditation und einer kleinen Gruppe junger Leute. Diese Gemeinschaft, verbunden in der Suche nach der Wahrheit, hielt mich, als sich mein Leben auflöste und meine dysfunktionale Kindheit zutage trat. Ich empfand zum ersten Mal, dass ich dazugehörte, und wartete jede Woche auf das Freitag-Treffen, wo ich still sitzen konnte und mich völlig angenommen fühlte. Nach dem Treffen genossen wir es öfter, in der Nähe indisch essen zu gehen, Masala Dosa und Chutney. Auch jetzt noch, ein halbes Jahrhundert später, kann ich mich an den Geschmack dieser Dosas erinnern, als seien Meditation, Freunde und indisches Essen zusammen in meiner Psyche eingeprägt.

Seit jenen frühen und verzweifelten Tagen ist die Gesellschaft von Freunden wesentlich für den Pfad gewesen, dieses einfache Teilen von dem, was der Seele eigen ist. Wie Rumi sagt:

Geh, o Herz, geh mit der Karawane!
Geh nicht allein die Stationen der Reise.

Im Laufe der Jahre ist unsere Sufi-Gemeinschaft von ein paar Freunden in einem kleinen Zimmer auf Hunderte von Reisenden rund um die Welt angewachsen. Aber das Gefühl der Zugehörigkeit und die Weise, wie verwandte Seelen auf dem Weg einander finden und unterstützen, ist immer geblieben. Dies ist eine Qualität von Freundschaft, die sich von tief in den inneren Welten, wo die Sehnsucht der Seele ihren Ursprung hat, bis in die äußere Welt erstreckt, wo wir einander helfen – einem kranken Freund Suppe bringen, Lachen und Tränen miteinander teilen. Dieses grundlegende Wissen, dass man Teil einer lebendigen, auf Liebe, Dienen und wahrer Gemeinschaft basierenden Gruppe ist, entspricht einer durch die Wüste ziehenden Karawane, die Wüste unserer zunehmend seelenlosen Welt. Natürlich gibt es wie in jeder Familie Meinungsverschiedenheiten und Schwierigkeiten, doch diese Eigenschaft der inneren Verbundenheit stellt eine Quelle tiefen Trosts dar. Ich frage mich oft, wie es wäre, allein in dieser Welt zu wandern, wie leicht man seinen Weg verlieren könnte.

Und diese heutige Gemeinschaft reicht außerdem Jahrhunderte zurück auf eine lebendige Tradition von Gruppen Suchender, die oft zu Füßen ihrer Lehrer saßen und ihr Licht und ihr Sehnen einbrachten, um ein größeres Licht anzuziehen, sie zu führen, eine innere Gegenwart, sie zu halten. Wie Jesus sagte: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“. (Matthäus 18:19-20) Dies sind die lebendigen Zentren des Lichts in dieser Zeit, welche über die individuelle Reise hinaus eine gemeinsame Aufgabe haben. Wie im finsteren Mittelalter, das auf den Zusammenbruch der römischen Zivilisation folgte, als die christlichen Klöster damals das Licht und die Bildung in Nordeuropa wach hielten, sind spirituelle Gemeinschaften aller Formen notwendig, das in der derzeitigen Verfinsterung noch übrig gebliebene Licht zu halten, das spirituelle Licht, das gebraucht wird, damit wir unseren Weg in eine lebendige Zukunft finden können.

Diese verschiedenen Qualitäten von Gemeinschaft bieten auf unterschiedliche Weise Unterstützung. Freunde und Nachbarn schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Ort, und das Land selbst offenbart mit seinen vielen Stimmen, wie wir mit einem Mysterium verflochten sind, welches tief in die ERDE reicht und wie es sichtbar wird in der schlichten Schönheit einer sich im Frühling öffnenden Knospe und dem Nektar trinkenden Kolibri im Garten. Und auf meiner eigenen Reise ist die spirituelle Gemeinschaft eine Großfamilie, die ein tieferes Gefühl der Zugehörigkeit anspricht, auch wenn ich mich in unserer Welt jetzt immer mehr wie ein Fremder in einem fremden Land empfinde. Liebe und Fürsorge füreinander und für die ERDE erzählen eine so andere Geschichte als all die Zwietracht und Spaltung, die um uns herum brüllen. Sie bringt uns zurück zu den Wurzeln, die unseren Boden und unsere Seelen nähren.

Die Pandemie hat die Risse in unserer Welt freigelegt, und dann kam der Ukraine-Krieg – brutal, unerbittlich, voller Gräueltaten, Dörfer, Kleinstädte, Großstädte zerstört, Massengräber ausgehoben und mit Leichen gefüllt, aus keinem anderen Grund als Macht und Eroberung – und inmitten von Ruinen kam die Freundlichkeit von Fremden, die für Millionen Flüchtlinge sorgten. Bald wird die Klimakrise ihre eigene Finsternis bringen, wie sie sich schon in der entsetzlichen Realität in Somalia zeigt, wo die Dürre uraltes Hirtentum zerstört, indem Millionen dem Hungertod ausgesetzt sind. In dieser Landschaft fühlen wir das wachsende Bedürfnis nach Werten, die unser gemeinsames Menschsein erhalten, nach Wegen, auf denen wir zusammen durch die sich verfinsternde Zeiten gehen können, dahin, wo die Zukunft wartet. Wir brauchen die Fäden der Liebe, die uns verbinden, die Fürsorge und das Mitgefühl, die uns nähren, die Gemeinschaften, die uns stützen können. Wir müssen erkennen, dass wir zugehörig sind im Innersten unseres Seins wie auch mit unseren die ERDE berührenden Füßen. Wir brauchen die Verwandtschaft, die mit Herz und Hand gefühlt wird, dieses Band der tiefen Liebe, welches in allen Dingen lebendig ist.

 

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