Transkript der Podcast-Reihe:
Geschichten für eine lebendige Zukunft

 

Kürzlich habe ich ein neues Wort gelernt, Polykrise, das für konvergierende ökologische und soziale Störungen steht, die ein „rasantes Versagen der natürlichen und sozialen Systeme der Erde“ auslösen. Ist das der Zeitpunkt, wo die Kollapsologie, die Lehre vom Zusammenbruch, in unser Leben tritt, weil unsere Gesellschaft, verursacht durch Klimakrise und untragbares Wirtschaftswachstum, zu kollabieren beginnt? Sollten wir dem simplen Rat folgen: „Kollabiere jetzt und vermeide den Andrang“?

Wenn wir die Zeichen in der äußeren Welt beobachten und uns eingestehen, dass wir am Ende einer Ära sind – nicht nur die der fossilen Brennstoffe, sondern auch einer Lebensweise, die das Ökosystem destabilisiert –, sollen wir dann für das Ende unserer Welt planen? Oder ist das nur ein Beispiel für einen weiteren Versuch, unsere Zukunft zu kontrollieren und sich so vor der intensiven und zunehmenden Verletzlichkeit in der heutigen Zeit zu schützen, wo so viel ungewiss ist?

Es gibt viele verschiedene Reaktionen auf die derzeitigen Herausforderungen. Die Stimmen der Klimaleugner, unterstützt von der Fossilbrennstoffindustrie, sind über die letzten Jahrzehnte sehr lautstark gewesen mit ihrer dummen Leugnung einer drohenden Krise und mit ihrer Werbung für den Glauben, dass unser Lebensstil endlos so weitergehen könnte. Doch ebenso subversiv sind die Stimmen, dass es möglich ist, durch eine „grüne Wirtschaft“ mit Hilfe technologischer Lösungen unsere energieintensive materialistische Kultur fortzusetzen. Diese Stimmen haben die Idee von der Nachhaltigkeit verzerrt, indem sie damit die „Nachhaltigkeit unseres gegenwärtigen Lebensstils“ meinen, statt unsere Verbindung mit der Biosphäre und die Auswirkungen darauf. Sie stellen sich riesige Wind- oder Solarparks als gangbare Antwort vor, ohne sich um die Folgen für unser Ökosystem zu kümmern. Oder wir können für eine Niedrigenergie- und CO2 neutrale „Post-Growth“-Welt planen, die wahrscheinlich zum Kollaps unserer Gesellschaft führt.

Allerdings habe ich festgestellt, dass all den vielen Stimmen, die danach forschen, wie sich eine bessere Zukunft schaffen lässt, ein wesentlicher Bestandteil fehlt – sie fragen nicht die Erde. Dabei ist die Stimme der Erde doch ausschlaggebend für jegliche nachhaltige Zukunft, eine, die die mehr-als-menschliche Welt miteinschließt. Da wir uns aber so lange schon von der Erde abgetrennt haben, wissen wir nicht mehr, wie man die Erde fragt oder wie man Ihr zuhört. Wir haben unser Wahrnehmungsorgan zensiert, das Jahrtausende zentral für unsere menschliche Reise war. Wie sollen wir in eine lebendige Zukunft gehen, ohne unser Bewusstsein wieder der Erde zuzuwenden, ohne wieder die „Große Unterhaltung“ aufzunehmen? Geschieht das nicht, „führen wir nur Selbstgespräche“ und setzen das Weltbild fort, das die Menschheit von der Erde getrennt verortet hat, was die Wurzel für diese eskalierende „Polykrise“ ist.

Wie wir diesen Wandel zurück zur Erde vollziehen können, ist eine der vorrangigsten Fragen für diesen Moment, auch wenn die meisten aktuellen Stimmen sie nicht einbeziehen. In diesem Podcast und meinen neuesten Beiträgen deute ich an, dass es einen „verborgenen Pfad“ gibt, der, folgen wir ihm, uns zurück in dieses Gewahrsein führt, was gar nicht weit weg ist, auch wenn es unserem rationalen Bewusstsein so fremd erscheint. Und auch wenn nur wenige diesen Pfad gehen, diese Verbindung wiederentdecken und so in die „Große Unterhaltung“ eintreten, wird uns das in dieser Zeit des Übergangs helfen.

Doch ich glaube, dass noch eine weitere wichtige Eigenschaft gebraucht wird: Fähig zu sein, in der extremen Verletzlichkeit und Unsicherheit dieser Zeit jetzt zu leben, in dem Raum zwischen den Erzählungen. Unsere Kultur hat lange in das Streben nach „Tun“ investiert und die Stärke des „Seins“ vergessen. Es ist notwendig, in diesem Dazwischen zugegen zu sein, in diesem Schwellenraum, wo alles ungewiss ist, und zwar ohne für eine Zukunft zu planen, die vielleicht nie eintritt. Das lässt sich mit der taoistischen Praxis des wu wei vergleichen, Handeln im Nicht-Handeln, ein Seinszustand, in dem wir in Übereinstimmung mit den natürlichen Mustern der Lebensentfaltung sind.

In meinen Dreißigern reiste ich für sieben Jahre immer wieder tief in die archetypische Welt, diese Energiestruktur, die unserer bewussten Welt zugrunde liegt.1 Mir wurde damals gezeigt, welche Auswirkungen unsere heutige Kultur auf die machtvollen Kräfte hat, die dort existieren, so zum Beispiel, wie das archetypisch Weibliche durch seine Tränen aus Schmerz und Kummer über die Haltung der patriarchalen Kultur geblendet war, und wie es aufhörte, seine Weisheit zu teilen. Ich sah, wie der Herr der Zeit, Kronos bei den Griechen, gefangen gesetzt war durch unsere festgelegte Beziehung zur Zeit als linearem Ablauf von Minuten, Stunden und Tagen.  Wohingegen die Jahreszeiten sich in ihrer Entfaltung der Zeit nach den Galaxien richten, und die Ebbe und Flut der Galaxien wie die Gezeiten eines großen Ozeans sind – immer in Bewegung, immer in Veränderung. Jeder Augenblick unserer Tage bildet einen Teil dieses großen Musters, ein Gewebe, das den Fluss des Lebens spiegelt.

Mir wurde auch gezeigt, wie sich diese innere Landschaft veränderte, wie sich machtvolle Kräfte tief im kollektiven Unbewussten verschoben. Und wie ein neuer Archetypus, der zu unserer Zukunft gehört, dabei war, sich herauszubilden. Die Archetypen, die Götter und Göttinnen früher Tage, die C. G. Jung als in unserer Psyche existent wiederfand, sind die großen entscheidenden Faktoren, die „Flussbetten des Lebens“. Er schrieb:

„…unsere persönliche Psychologie ist nur eine dünne Haut, ein Kräuseln auf dem Ozean der kollektiven Psychologie. Der machtvolle Faktor, dieser Faktor, der über unser ganzes Leben entscheidet, der die Oberfläche der uns bekannten Welt verändert, der Geschichte schreibt, ist die kollektive Psychologie, und die kollektive Psychologie verhält sich nach völlig anderen Gesetzen als die unseres Bewusstseins. Die Archetypen sind die größten ausschlaggebenden Kräfte; sie sind es, welche die wahren Ereignisse hervorbringen, und nicht unsere praktische Vernunft und unser praktischer Intellekt…Die archetypischen Bilder entscheiden über das Schicksal der Menschheit.“ 2

Der neue sich in den Tiefen konstellierende Archetypus unterscheidet sich in seiner Qualität sehr von den anderen Kräften. So wurde zum Beispiel eine frühere Zivilisation vielleicht hauptsächlich vom Kriegsgott beeinflusst, was sich durch Schwert, Schlacht und Eroberung ausdrückte, oder von einer Erdgöttin, bei der Großzügigkeit und das Teilen der Erntegaben im Vordergrund standen. Doch dieser sich jetzt entwickelnde Archetypus wird dadurch bestimmt, dass er mehr ein Raum ist als eine Gestalt, ein Raum, in dem alles seinen angemessenen Platz hat und entsprechend seiner wahren Natur erkannt wird.

Dieser entstehende Archetypus begegnete mir zum ersten Mal in der Gestalt eines Kindes mit Sternen in seinen Augen, „wunderschön, wie das erste Morgenlicht“, und ihm sind der Name und die Bestimmung von jedem Lebewesen bekannt. Es weiß alles in seiner neugeborenen Ganzheit, nichts ist ausgeschlossen. In den Augen dieses Kindes hat jedes Atom der Schöpfung seinen Platz in der sich entfaltenden Musik des Lebens, und es ist ein lebendiges Symbol der Harmonie und Vollständigkeit.

Dieser neue Archetypus zeigte sich auch in der symbolischen Form eines Baums, der von der Erde bis in den Himmel reicht. Er zieht sein Wasser aus der Tiefe und bietet allen Lebewesen Schutz. Dieser Lebensbaum entsteht aus dem Zentrum unseres Seins, denn in dem kommenden Zeitalter werden wir zur heiligen Quelle zurückkehren, die das Herz ist. Doch ist es in gewisser Weise irreführend, ihn einen Baum zu nennen, da er eher ein Raum ist als eine Form, ein heiliger Raum, wo jedes Ding es selbst sein und seine wahre Bestimmung offenbaren kann, ein Garten, wo alles auf seine ihm eigene, einzigartige, individuelle Weise blühen kann. Und mit diesem auftauchenden Archetypus kam ein Lied:

 

Über den Horizont kommt die Sonne der neuen Morgendämmerung. Sie trifft die Sonne in deinem Herzen und sie singen einander zu. Dies ist das Lied der neuen Schöpfung, wenn das Äußere zum Inneren und das Innere zum Äußeren singen wird. Solch eine Kraft wird in diesem Lied sein, wie man sie nie zuvor erfahren hat. Du trägst diese Begegnung in dir und du siehst sie in jedem wahren Augenblick deines Lebens. Es ist so hart wie Diamant und so weich wie Blütenblätter, und es kann niemals weggenommen werden, denn es ist ein Geschenk.

 

Diese Bilder bergen das Versprechen einer bislang noch nicht gelebten Zukunft. Wollen wir diese Energie in unsere Leben und unsere Gemeinschaften bringen, müssen wir in der Lage sein, diesen Raum, wo sich das Innere und das Äußere begegnen, zu halten, auf dass etwas Neues geboren werden kann. Dieses Kind lebt sowohl an der Quelle des Lebens als auch in unserer Alltagswelt, wobei es darauf hinweist, dass sich die innere Struktur unserer Welt wandelt.

In den Jahrzehnten, seit ich dieses Kind zum ersten Mal sah und dieses Lied hörte, ist unsere äußere Welt finsterer geworden, die Umweltzerstörung hat zugenommen und inzwischen fürchten die jungen Leute um ihre Zukunft, die ihnen von Unternehmen, für die nur Profit zählt, gestohlen wird. Das ist nicht die Zukunft, auf die ich gehofft hatte, auch wenn ich noch immer die Samen der Neugeburt bewahre, noch immer die innere Schönheit und das Wunder sehe. Aber die Veränderungen, die in der archetypischen Welt stattfinden, machen deutlich, dass wir zum Ende einer Ära kommen, auch wenn wir nicht wissen, wie oder wann diese Morgendämmerung anbrechen wird. Wichtig ist, diesen Raum des Nichtwissens zu halten, wo die Zukunft noch nicht definiert ist.

Ein Raum ist nicht von den Formen der Vergangenheit oder den Träumen von einer Zukunft beeinträchtigt, sondern kann von einer anderen Dimension aus, von einem Ort außerhalb der Zeit, lebendig werden. Es ist ein Raum, wo es keine Hierarchie gibt, sondern sich entfaltende Muster der Einheit, wo alle Fäden der Existenz zu neuen Formen, neuen Daseinsweisen, neuen Verbindungen verwoben werden. Diesen Raum in der zunehmenden Dunkelheit und Spaltung der kommenden Jahre zu halten, wird jedoch nicht einfach werden inmitten der Kräfte, die sich in unserer Welt sammeln.

Durch die Ereignisse, die sich in unserer äußeren Welt konstellieren, können wir sehen, dass wir in einer Zeit der Polykrisen sind. Es kann aber hilfreich sein, tiefer zu schauen und wahrzunehmen, dass wir kollektiv auf einer Bruchlinie wandeln. Gewaltiger Druck baut sich unter unseren Füßen auf, Urkräfte in den Tiefen, die sich schon Jahrhunderte lang regen. Die Bruchlinie, auf der wir gehen, ist der Ort, wo zwei Zeitalter zusammentreffen. Wenn eine Ära zu Ende geht und eine andere beginnt, kollidieren Kräfte völlig unterschiedlicher Schwingungen. Da sich diese Energien so langsam bewegen, sich über Jahrhunderte konstellieren, erkennen wir nicht so ohne weiteres den enormen Umfang dieses Geschehens.

Ein physikalisches Erdbeben ereignet sich, wenn zwei tektonische Platten kollidieren. Die Bruchlinie ist dort, wo die Platten aufeinandertreffen und der Druck hervorbricht, sich seinen Weg durch die fragile Oberfläche der Erde bahnt, die bis dahin so unverrückbar schien. Ein Erdbeben ganz anderer Art kommt, wenn die Kräfte der inneren Welt durch die Oberflächenstrukturen unseres Lebens brechen. Die inneren Kräfte der archetypischen Welt sind so mächtig und so verborgen wie die Erdkräfte, die Kontinente erschaffen können. Manchmal entladen sie sich in der kollektiven Psyche in Form von Kriegen oder Migrationsbewegungen und gestalten dadurch unser kollektives Schicksal. Sie können immenses Leid und riesige Zerstörung hervorrufen, wie damals, als die Mongolenhorden über die Kontinente fegten, oder Freiheit bringen, wie der plötzliche Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kommunismus in Europa.

Wir sehen bereits das ungeheure Ausmaß des jetzigen Geschehens in der Klimakrise und Umweltzerstörung und erahnen, wie entscheidend die kommende Dekade für die zukünftigen Jahrhunderte sein könnte. Und obwohl wir auf die Krise reagieren müssen, ist es auch notwendig, einen Raum für die sich aus den inneren Welten herausbildende Zukunft zu halten. Deshalb sind die meisten unserer derzeitigen Pläne so beschränkt, denn sie können sich die Zukunft nur in den Bildern der Vergangenheit erdenken. Besorgt um die Zukunft unserer gegenwärtigen Zivilisation halten sie an der Vergangenheit fest.

Wir müssen unsere Kultur nicht retten oder schützen. Wir haben gar nicht die Kraft, den Dynamiken des Umbruchs Widerstand zu leisten. Auch müssen wir keine neue Kultur erschaffen. Wir haben weder die Energie noch das Wissen für solch ein Unterfangen.

Aber wir haben eine Verantwortung: zu lauschen, zu lieben und sich lieben zu lassen, und unser Gewahrsein für das zu öffnen, was wirklich geschieht. Wir müssen akzeptieren, dass wir den Planeten nicht retten können, so wie wir die Kräfte nicht besiegen können, die unsere Erde plündern. Der Planet ist ein lebendiges Wesen, das sich selbst heilen kann – mit unserer Liebe und unserer Mitarbeit.

Gefährlich wird es dann, wenn wir die Zeichen nicht erkennen. Wenn wir zu sehr mit der alten Lebensweise und unserer Position darin identifiziert sind, werden wir die Chance verpassen, ein paar Habseligkeiten zu packen und weiterzuziehen. Einen neu auftretenden Archetypus einzuschränken, wird nur zur Katastrophe führen. Ein paar Jahre oder Jahrzehnte lang mag es so aussehen, als könne man die Gezeiten aufhalten und sich weiter an die alten Werte und Bilder der Sicherheit klammern, aber ein Leben, das auf dem Nichtwahrhabenwollen der tatsächlich wirkenden Kräfte basiert, ist oft von einem Gefühl der Unwirklichkeit überschattet, so wie es sich in den letzten Tagen des Römischen Reichs angefühlt haben muss. Oder heutzutage, in der seltsamen Dynamik der Kulturkämpfe, die in der Hauptsache wie Vermeidungsverhalten wirken und sich in einem nostalgischen Traum abzuspielen scheinen. Gleichzeitig ist da ein instinktives Unwohlsein, eine grundlegende Unsicherheit, die kein noch so großer Zorn und kein beharrliches Leugnen vertreiben können.

Wir müssen uns eingestehen, dass etwas geschieht, das außerhalb unserer Kontrolle ist. Eines der Merkmale unserer patriarchalen Kultur ist der Wunsch, unsere Umgebung zu kontrollieren, und das Ergebnis davon ist die Angst vor dem Kontrollverlust. Uns graut vor Chaos, obwohl jeder, der wirkliche Transformation erfahren hat, weiß, dass Chaos ein notwendiger Bestandteil wahrer Schöpferkraft ist. Ohne ein Element von Chaos stagniert das Leben. Und das ist in der radikalen Ungewissheit unseres Lebens jetzt vorhanden.

Es gibt aber auch eine Weisheit über das Unbekannte, Unbestimmte, was eher ein Raum ist als eine Form, so in den Lehren von Lao Tse:

Dreißig Speichen laufen in der Nabe des Rads zusammen,
Aber es ist das Loch in der Mitte, das es brauchbar macht.
Formt man Ton zu einem Gefäß,
Ist es der leere Raum im Innern, der es brauchbar macht.
Zimmert man Türen und Fenster für ein Haus,
Sind es die Öffnungen, die es brauchbar machen.
Deshalb kommt Vorteil von dem, was da ist,
Indem man Gebrauch macht von dem, was nicht da ist.

Nach meinem Verständnis wird unsere Zukunft dadurch bestimmt, wie wir momentan den Raum halten. In diesem Raum können wir uns mit dem, was heilig ist, wiederverbinden und helfen, die Formen der neuen Ära ins Dasein zu bringen. Die kollidierenden Kräfte in der Welt um uns herum und unter unseren Füßen werden Unsicherheit schaffen, was aber auch zu der Energie des Übergangs gehört. Sie werden uns von vielen einengenden Mustern befreien und Strukturen zerbrechen, die den Fluss des neuen Lebens behindern.

Mir wurde einmal ein symbolischer kurzer Blick in diese Zukunft geschenkt, in der wir der Tanz und die Liebe und das Lied sind:

Langsam ist der Vorhang vor einer neuen Bühne gehoben worden. Diese Bühne ist dein eigenes Leben. Doch sogar die Idee von einer Bühne ist eine Begrenzung, weil sie dann zur Welt der Form gehören würde. Die Bühne ist keine Form, sie ist kein Rahmen. Sie ist eine Qualität der Nähe, eine Qualität der Intimität, eine Qualität des Berührt-Werdens, des Sich-Erlaubens berührt zu werden. Es ist eine Qualität des immerwährenden Teilens vom Geheimsten, vom immerwährenden Gezeigt-Bekommens des Geheimsten. Es hat wirklich damit zu tun, dich von so vielen Einschränkungen zu befreien, die völlig irrelevant sind, weil sie einer anderen Zeit angehören.

Stehe einfach in der Mitte des Tors, das du selbst bist. Stehe da nur. Eine Qualität von Magie wird gerade langsam in die Welt eingeleitet. Das ist es, was die Welt verwandeln wird. Das ist es, was die Welt heilen wird. Es geschieht über die Menschen, nicht über Orte, Zeremonien oder Beschwörungen. Es geschieht über Menschen, die als Tor dastehen, als Raum; die dafür offen sind, geöffnet zu werden…

Ein neuer Stern wird geformt, zunächst zusammengehalten von zarten Fäden. Dieser Stern kommt langsam ins Sein, ohne dass es jemand merkt, sonst würde man diesen höchst kostbaren Prozess stören. Er war verborgen, aber er ist jetzt schon hier.

Unterhalb meines Hauses zieht sich, wenn ich zur Bay schaue, die San Andreas-Falte entlang, eine der größten Bruchlinien der Welt. Wir wissen, wie der Boden, der so sicher zu tragen scheint, sich ganz leicht in Bewegung setzen kann. Unsere Halbinsel bewegt sich nach Norden hin, ihre Felsformationen kommen von über dreihundert Meilen südlich. Hier, an der Bruchlinie lebe auch ich in einem Raum, wo sich das Innere und das Äußere begegnen, wo ich die Veränderungen in unserer kollektiven Psyche wahrnehmen kann – das, was geboren werden will, auch wenn es vielleicht Generationen braucht. Hier sind die Erde und der Himmel meine Gefährten, das Auf und Ab der Gezeiten meine Uhr. Jeden Tag beobachte ich, wie sich das Feuchtland mit Wasser füllt, das sich dann wieder zurückzieht. Ich wundere mich über diesen Moment in unserem kollektiven Schicksal, wo die Zukunft, die mir vor Jahrzehnten gezeigt wurde, so nah ist und noch immer so verborgen und still wartend. Es ist leicht zu sehen, wie sich die Krisen um uns konstellieren, schwerer ist es, die Ungewissheit zu halten und das Kind mit den Sternen in seinen Augen zu empfangen.

 

©2023 The Golden Sufi Center, www.goldensufi.org

  1. siehe Archetypal Journeys
  2. C.G. Jung, Psychological Reflections, hrsg. V. Jolande Jacobi, S. 39