Transkript der Podcast-Reihe: Geschichten für eine lebendige Zukunft
 
 

Was heißt es, spirituell zu erwachen?

Es ist eine grundlegende spirituelle Erfahrung, im Augenblick zu erwachen, das Leben zu erfahren, wie es ist. In diesem Augenblick erfahren wir das Leben nicht durch die Muster unseres Verstandes oder die Illusionen unseres Egos, sondern durch eine einfache, unmittelbare Erfahrung des uns umgebenden Lebens. Diese unmittelbare Wahrnehmung gehört zu unserer wahren Natur und wird uns als Geschenk, als ein Moment der Gnade, gegeben und ist oft von einem Gefühl der Freude und des Lachens begleitet – wie der Dichter Hafiz sagt: „Was ist diese kostbare Liebe und dieses Lachen, die in unseren Herzen sprießen? Es ist der herrliche Klang einer Seele, die erwacht!“ Die Schleier der Verzerrung fallen ab und wir sind im Leben und seiner eigentlichen göttlichen Natur gegenwärtig. Wir sind wieder zurück im Garten.

Aber gibt es auf der Reise der Erde auch einen Augenblick, wo Sie die Möglichkeit hat zu erwachen und in diesem Moment den Traum oder Albtraum vom Materialismus abzuwerfen, der Ihre Ökosphäre, das ineinandergreifende Netz des Lebens, zerstört, das uns alle erhält? Können wir in diesem Moment kosmischer Zeit gegenwärtig sein, wach für das Ende einer Ära und für die Geburt einer neuen Daseinsweise? Können wir aus den Illusionen unserer jetzigen seelenzerstörenden Zivilisation heraus- und in die sich vollziehenden tiefgreifenden Erdveränderungen eintreten?

In diesem Vortrag, den ich 2007 hielt, erkunde ich, welche Bedeutung es hat, für den Augenblick erwacht zu sein, Jetzt Hier zu sein, wie Ram Das es ikonisch ausgedrückt hat. Wie wir sowohl für unser individuelles Selbst wie auch für die Welt erwacht sein können. Bereits damals stellte ich fest, dass die Verzerrungen unserer Kultur in letzter Zeit zugenommen hatten, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wie in den kommenden Jahren Fake News und toxische soziale Medien unsere Welt überziehen und uns immer mehr von der unmittelbaren Erfahrung des Lebens oder des Göttlichen trennen würden. Doch in diesem Vortrag erforsche ich, inwieweit diese Verzerrungen Anzeichen für eine Welt sind, die zu Ende geht, und für eine, die darauf wartet, geboren zu werden. Mehr als fünfzehn Jahre später ist es leicht, die tiefere Bedeutung unserer zunehmend toxischen Kultur zu vergessen, zu übersehen, und in die Todesspirale einer Zivilisation gezogen zu werden, statt eine Wachheit für die Samen einer neuen Erzählung zu halten. Im lebendigen Augenblick jedoch können wir eine Weise des Daseins spüren, die zum Anbeginn zurückführt, als die Wasser rein waren und die Pflanzen und die Tiere von ihrer wahren Bedeutung sangen. Ein Augenblick, der uns dahin zurückbringt, wo die Quelle frei fließt und die Namen der Schöpfung im Wind singen und wir in Lob und Dank gegenwärtig sind.

 

ERWACHEN

Heute möchte ich über das Erwachen sprechen und was Erwachen wirklich heißt und was tatsächlich erwacht. Und zu was es erwacht.

Es gibt eine ganze Tradition spiritueller Lehre, die besagt, dass alles vollkommen ist, alles immer vollkommen war und alles immer vollkommen sein wird und man im Augenblick diese Vollkommenheit erkennen kann. Wenn man so will, ist die einzige Unvollkommenheit unsere Wahrnehmung. Wir sind der Schleier, der uns von der unmittelbaren Erfahrung der erwachten Wirklichkeit trennt, und alles, was man tun muss, ist einfach zu dem zu erwachen, was bereits da ist. Man muss nichts verändern, man muss nichts verbessern, man muss sich selbst nicht verbessern. Man muss nur gegenwärtig in der göttlichen Vollkommenheit sein, die da ist. Und das ist eine sehr, sehr alte und sehr schöne Lehre. Und viele Leute haben eine solche direkte Erfahrung gehabt: Sie erwachen zu dem, was ist, und sie erkennen seine Vollkommenheit. Und tatsächlich, da gibt es nichts anderes zu tun. Und das ist in gewisser Weise ein Akt der Gnade, die einem Menschen gegeben wird. Zu dem zu erwachen, was ist. Nicht zu dem, was es zu sein scheint – da ist ein großer Unterschied zwischen dem Anschein und dem, was ist. Was da zu sein scheint, entsteht aus unserer Wahrnehmung. Was ist, ist tatsächlich da. Das ist eine der verblüffendsten Erkenntnisse. Man hat sozusagen in einer selbstgeschaffenen oder kulturell erzeugten Illusion gelebt. Und dann wacht man plötzlich auf und sie ist nicht mehr da. Und man erkennt, dass sie nie da war. Es ist so wie ein Nebel bei Tagesanbruch, der von der Sonne verbrannt wird. Wie wenn man am frühen Morgen rausgeht durch den Nebel und nichts sehen kann, es bleiben nur ein paar Vogelstimmen im Nebel – vielleicht kann man von irgendwoher Wasser hören oder ein paar Kühe in der Ferne – aber man ist von sich selbst umgeben. Dieser Nebel ist man selbst, man ist vom eigenen Selbst umgeben. Und das ist in gewisser Weise der Dunstschleier, in dem die meisten Leute die meiste Zeit leben. Ich glaube, C.G. Jung hat irgendwo gesagt, dass 99% der Menschheit 99% der Zeit darin leben, in diesem Dunstschleier oder Nebel, wie der traditionelle Nebel in London, wo man nicht mehr die Hand vor den Augen sehen konnte. Und dann gibt es diesen außergewöhnlichen Augenblick, wo sich der Nebel hebt, wo sich die Schleier teilen und man sich plötzlich im Garten der Schöpfung wiederfindet, in der Welt, wie sie tatsächlich ist. Und das ist unvorstellbar schön, unvorstellbar strahlend, ich denke, es lässt sich am besten als die Schöpfung beschreiben, die das Lied des Schöpfers singt. Es ist so unglaublich schön. Es ist das Leben, das wirklich lebendig ist. Gewissermaßen sind wir hergekommen, um das zu erfahren.

Wir sind doch in Wirklichkeit nicht hergekommen, um die Schleier zu erfahren, den Nebel zu erfahren, die Konditionierung zu erfahren. Wir sind auch nicht hergekommen, um unseren Verstand zu erfahren. Es gab die Hoffnung, als die Seele in diese Welt kam, dass wir diese Welt wirklich erfahren können. Klassisch ausgedrückt, dass wir Hier und Jetzt sein können. Und wenn man nur einmal im Leben einen dieser Augenblicke erfahren hat, ist etwas in einem zutiefst erfüllt. Man ist tatsächlich angekommen. Man ist zum ersten Mal in dieser Welt wirklich gegenwärtig. Deshalb ist es so wichtig, das zu erkennen – diese ursprüngliche Erfahrung des Lebens, der Schöpfung. Das ist keine Erfahrung über einen selbst. Ja, es gibt Erfahrungen, die man von sich selbst haben kann, von unserem wahren Selbst. Es gibt Augenblicke, in denen man unmittelbar die eigene wahre Natur erkennen kann, was man wirklich ist. Sie sind auch unglaublich schön und können recht überwältigend sein, wenn man das Zentrum des Lichts, das Zentrum der Liebe erfährt, das Zentrum des reinen Seins, das unsere Natur ist. Aber in der direkten Erfahrung des Lebens gibt es kein Selbst, da gibt es nichts weiter als das Leben. Im Garten der Schöpfung gibt es nur die Schöpfung. Das ist unglaublich schön.

Wie viele von euch wissen, wurde mir das gegeben, als ich sechzehn war. Ich erwachte einfach und fasste es gar nicht, dass etwas so schön sein konnte. Und interessant dabei war, es war derselbe Ort, an dem ich vorher gewesen war, nur war er völlig anders. Und da war dieses Licht, da war diese Schönheit, da war diese unglaubliche Freude, eine unglaubliche Einfachheit. Es war einfach nur, es ist einfach nur. Und ich weiß immer, dass es da ist. Wenn man erst einmal diesen Augenblick, diese unmittelbare Erfahrung erlebt hat, kann man sie nicht mehr vergessen. Man weiß, es ist da. Es mag so aussehen, als würde man es verlieren; man lebt nicht die ganze Zeit darin – ich denke, das wäre unfair den Leuten gegenüber, die um einen sind, aber man verliert es nicht wirklich. Man weiß immer, dass es da ist, dass es hinter dem Nebel wartet, auf das Sonnenlicht wartet, dass es durchkommt und den Schleier hebt, und dann findet man sich im Garten Eden wieder. Das ist der archetypische Garten Eden, wo die Menschen selbstverständlich zusammen mit Gott gingen. Das ist nicht Gott als etwas von uns Getrenntes, wie man uns das zu denken beigebracht hat, es ist Gott, der einfach ist. Es ist das Göttliche, Das immer gegenwärtig ist, weil man, wenn man das Leben so erfährt, weiß: Es ist göttlich. Das ist die direkte Erfahrung des Göttlichen in der Schöpfung.

Und es ist nicht deine Erfahrung, es kann nie deine Erfahrung sein. So, wie es auch nicht deine Schöpfung ist. Es ist einfach nur. Auf eine Art ist es ein ungeheures Privileg, das gezeigt zu bekommen. Das ist wohl, archetypisch gesehen, wie eine schöne Frau, die ihre Kleider ablegt und ihre strahlende Schönheit offenbart, die darunter ist, wenn der Schöpfer dies mit Seiner Schöpfung tut. Und es ist immer da, und da gibt es nichts zu verbessern, nichts hinzuzufügen. Es ist das, was T.S. Eliot den Augenblick in und aus der Zeit nennt. Er schreibt sehr schön darüber. Oft liegt darin ein Zustand des Lachens, der Freude, ja, des Lachens.  Das ist etwas, das wir vergessen haben – es gibt in der Schöpfung dieses tiefe, tiefe Lachen, diese tiefe Freude. Er beschreibt es, wenn er sagt:

Plötzlich, in einem Sonnenstrahl,
auch wenn der Staub sich noch bewegt,
erhebt sich das versteckte Lachen
von Kindern im Blattwerk,
rasch jetzt, hier, jetzt, immer –
absurd die unnütz traurige Zeit,
die sich davor und danach erstreckt.

Es ist jene ursprüngliche Unschuld, „rasch jetzt, hier, jetzt, immer“ und das Lachen der Kinder. Das ist es also, was es heißt, wach zu sein, für einen Augenblick gegenwärtig im Leben, wie es wirklich ist.

Und dann gibt es da diese ganze, merkwürdige Sache, die wir faktisch bewohnen und die das nicht ist. Die manchmal so unvorstellbar weit davon entfernt ist, die eben dieser Nebel ist, dieser Schleier. Die Sufis sprechen von den Schleiern, die uns bedecken, die uns zudecken und zudecken und zudecken, bis wir vergessen, warum wir hier sind. Bis wir sogar die Erinnerung an die Schöpfung vergessen. Wir lesen dann in der Genesis darüber, wie es zu Anbeginn war, ohne zu erkennen, dass der Anbeginn jetzt ist. Der Anbeginn ist das, was ist, und alles danach ist Verlust. Und das stellt die Menschheit vor ein enormes Paradox, nämlich dass alles, was wir erschaffen, alles, was wir tun, genau das ist, was uns von dem trennt, was ist. Ich wiederhole das, weil es so unglaublich ist: Alles, was wir tun, alles, was wir über uns denken, alles, was wir erschaffen, trennt uns von dem, was ist. In gewisser Weise geht es in unserem Leben nur darum, uns einschlafen zu lassen oder um sanfte Schnarchrhythmen. Und ich vermute, einige Leute sind so fest eingeschlafen, dass sie nur noch ihre Albträume haben und darin leben. Ich nehme an, einige Leute haben angenehme Träume und sie leben in denen. Und manche Leute sind in diesem seltsamen halb Wach- und halb Schlafzustand, in dem nichts wirklich ist. Das nennt man spirituelles Leben. Nein, ernsthaft, das ist, was man spirituelles Leben nennt, weil man nicht völlig eingeschlafen ist. Wenn man komplett eingeschlafen ist und Träume von – ich weiß nicht, wovon die Leute träumen – von erfüllten Beziehungen, BMW-Autos oder sonst was. Oder Albträume: dass man alles verliert, das nächste Erdbeben, was immer der Albtraum sein mag.  Manche Leute haben Albträume – manche leben Tag für Tag, Nacht für Nacht in von Angst bestimmten Albträumen. Und manche Leute haben Glück und sie leben in guten Träumen, fahren ihren BMW und werden von einem schönen Mädchen geküsst oder gehen mit einem gutaussehenden Mann Essen – was immer ihre Träume sein mögen.

Und dann gibt es diesen merkwürdigen Zustand, halb wach, halb eingeschlafen, wenn man nicht länger mit dem Albtraum oder dem schönen Traum zufrieden ist. Und man weiß, dass man nicht wach ist, und es quält einen, dass man nicht wach ist, aber man kann auch nicht tief und fest schlafen. Und man fängt an, spirituelle Übungen zu machen. Und der Zweck von spirituellen Übungen ist, einem dabei zu helfen, den Übergang vom Schnarchen zum Erwachen zu schaffen. Ist man erwacht, braucht es keine spirituellen Übungen mehr, dass kann ich euch versichern. Wer ist da, um spirituelle Übungen zu machen? Mein Shaikh Bhai Sahib hat gesagt, es gibt Zeiten, wo er nicht betet, weil niemand da war, der beten könnte. Wenn man erwacht ist, ist man wach. Du bist dann gegenwärtig, aber es gibt überhaupt kein „Du“, um gegenwärtig zu sein. Das ist ein sehr, sehr schöner Zustand. Da gibt es nichts hinzuzufügen, da gibt es nichts wegzunehmen. Es ist einfach. Das ist also die alte, uralte Geschichte der Menschheit. Wie schon gesagt, interessanterweise war das in der gesamten christlichen Ikonografie des Westens zu Anbeginn im Garten Eden vorhanden. Und alles, was danach geschah, ist der Verlust gewesen, was sich ereignete, als die Menschheit von der Dualität kostete – die Frucht vom Baum von Gut und Böse aß, die Dualität ausprobierte – und daraufhin aus dem Garten Eden, dem Paradies, geworfen wurde. Und dann dieses wunderbare Bild, dass mich seit meiner Kindheit begleitet: die Engel mit Flammenschwertern, die einem den Weg zurück verwehren. Und so geht es seit damals, wie ich schon sagte, allein um Verlust. Tausende und Abertausende Jahre, was verloren wurde.

Also, was ich sehr interessant finde, ist, dass dies einerseits eine individuelle Geschichte ist – wir waren alle im Garten Eden, wir sind alle aus dem Paradies vertrieben worden, wir haben alle von der Dualität gekostet, von Gut und Böse, Licht und Dunkel – und zugleich ist es die Erzählung der gesamten Menschheit und der Welt. Die ganze Welt war einst Adam und Eva. Die Sufis sagen, genau genommen ist Adam der archetypische Mann. Sie sprechen auch über den größeren Adam und den kleineren Adam.  Adam ist der archetypische Mann und Eva die archetypische Frau. In gewisser Weise ist das die gesamte Menschheit. Nicht bloß der erste Mann und die erste Frau, aber der essenzielle Mann, die essenzielle Frau. Der eine wirkliche Mann, die eine wirkliche Frau, die im Garten Eden leben, die dort gegenwärtig sind in der Welt der ihr innewohnenden Schönheit – nackt mit Gott. Das sind also beides unsere Geschichten und auch die Geschichte der Welt. Von allem, was verloren ging. All die Kriege, die danach ausgetragen wurden, und da braucht man nur in der Bibel zu lesen – all die Kriege und all die Urteile und all die Bestrafungen und all die Strapazen und all die Propheten und all die Offenbarungen – dies alles dreht sich nur um das, was danach geschah. Und das geht schon Jahrtausende lang. Und gelegentlich wollen einzelne Leute dorthin zurückkehren, wollen aufwachen, wollen nicht länger in einem Albtraum oder Traum leben. Und wegen dieser besonderen Beziehung zwischen der Menschheit und der Welt kommt auch die Zeit, wo die Welt selbst erwachen und ihren Schutt von Jahrtausenden abwerfen möchte. Sie will aus dem Nebel erwachen. Und sehr interessant daran ist, dass es eine ganze esoterische Tradition gibt – besser ausgedrückt, es gibt sozusagen immer zwei Ebenen der esoterischen Tradition, der heiligen Weisheit. Und eine hat mit der spirituellen Evolution des einzelnen Menschen zu tun, und das ist es, was man in einigen Büchern finden kann, die es inzwischen im Westen gibt, und in den Lehren, die in den letzten zwanzig, dreißig Jahren öffentlich gemacht worden sind. Und dann gibt es noch eine ganz andere Ebene der spirituellen Lehre, die mit der Welt zu tun hat, die mit dem spirituellen Körper der Welt zusammenhängt. Und das meiste davon ist vor langer Zeit verloren gegangen. Es finden sich noch Spuren davon in einigen schamanischen Traditionen, die vom Vater über den Sohn weitergegeben wurden; es gibt Hinweise darauf in einigen Überresten echter Tibetischer Lehren, die in den Westen gelangt sind, aber was in den Westen gekommen ist, ist eine sehr verwässerte Version. Die meisten heiligen Tibetischen Texte sind von den Kommunisten verbrannt worden. Und natürlich sind im Westen einige dieser Lehren von den Gnostikern bewahrt worden, aber die sind schon lange, lange nicht mehr da. Es gibt also diese andere, ganze esoterische Tradition darüber, wie die Welt als ein spirituelles Lebewesen funktioniert. Und Teil dieser Lehre ist auch, dass es Zeichen gibt, wenn ein Ereignis bevorsteht, dass es Zeichen gibt, wenn die Welt anfangen will zu erwachen. Es sind sehr seltsame Zeichen. Das sind nicht die Zeichen, wie man sich das vorstellt; für gewöhnlich sind es Zeichen, indem die Dinge schieflaufen, indem Dinge völlig außer Proportion geraten. Meist sind es Zeichen, indem Dinge missbräuchlich verwendet werden anstatt bestimmungsgemäß. Es sind Zeichen durch Katastrophen, die eintreten, wenn die Welt beginnt, sich irgendwie zu schütteln.

Was mich wirklich interessiert, ist die Möglichkeit, in diesem Augenblick gegenwärtig zu sein. Das ist natürlich ein Paradox, weil die Welt immer vollkommen ist. Die Welt kann nie anders als vollkommen sein, und doch kann die Welt auch erwachen. Und das ist wunderschön versinnbildlicht in einer der westlichen Mythen vom Erwachen des Menschen, in der Sage vom Gral. Und wie viele von euch wissen, gelangte der junge Ritter Parzival eines Morgens zur Gralsburg. Da war er nun an diesem heiligen magischen Ort, der gar nicht weit war. Die Nebelschleier hoben sich und er fand sich gegenwärtig in der Gralsburg, und alles, was er sich je gewünscht hatte, war in diesem Augenblick erfüllt. Er war gegenwärtig am heiligsten Ort der Welt – in der Gralsburg. Und das ist wie das erste Erwachen eines jeden Menschen. Es ist immer da, es geschieht einfach. Ich denke, fast jedem Menschen wird irgendwann im Leben ein solcher Augenblick geschenkt. Ich glaube nicht, dass die Seele in diese Welt kommen und in dieser Welt bleiben könnte, wenn sie nicht wenigstens einmal in einer Inkarnation diese Erfahrung hat. Das kann etwas sehr Einfaches sein, wie eine wirklich schöne Tomate zu entdecken und sie zu essen, und in diesem Augenblick ist das tatsächlich eine unmittelbare Erfahrung. Es kann passieren, wenn man einen Sonnenuntergang sieht. Deshalb mag ich, wie das T.S.Eliot ausdrückt:

Plötzlich, in einem Sonnenstrahl,
auch wenn der Staub sich noch bewegt,
erhebt sich das versteckte Lachen
von Kindern im Blattwerk.

Es ist da, für alle gibt es diese Art Augenblick, wo man da ist. Etwas ist erwacht. Da ist ein Licht in der Luft, da ist Sonnenschein in der Luft, da ist dieses Lachen, „oh, Ja!“ Und für einen Moment erinnert man, was man vergessen hat. Und dann geht es wieder, wie bei Parzival, verloren. Ich hatte diese Erfahrung, als ich sechzehn war – ich hatte sie für zwei Wochen, was großartig war, aber dann senken sich wieder die Schleier herab. Dann muss man den ganzen Prozess durchlaufen mit all den Irrungen und Wirrungen, all den …Parzival musste die Jungfrau retten, es gibt Ritter zu bekämpfen, da ist der Lebenskampf. Und dann beginnt sich etwas allmählich aufzulösen.

Interessanterweise sind im letzten Jahrhundert fürchterliche, schreckliche Schlachten geführt worden. Die Menschheit hat merkwürdige Verdrehungen durchgemacht, und alles fängt an, verdreht zu werden. Wenn die Möglichkeit da ist, dass etwas in einem erwacht, beginnt sich etwas in einem zu verdrehen. Sehr seltsam. Ich weiß nicht, ob ihr das in eurem Leben bemerkt habt, wenn man in etwa an diesen Punkt kommt – dann ist es, als passten die Welten nicht mehr zusammen. Das ist eine sehr verstörende Erfahrung. Es ist, als würde die eine Wirklichkeit sehr, sehr dicht an die andere herankommen. Ich kann euch ganz einfach sagen, was das auf sich hat. Wir haben unsere eigene, selbsterschaffenen Wirklichkeit. Zum Beispiel unser Bild, das wir von uns haben – ob es nun von unserer Kindheit herrührt oder von unserem Therapeuten, spielt keine Rolle – wir haben unsere selbsterzeugte …wir sind diese Art von Person, wir haben diese Menge Probleme oder wir haben…Und dann gibt es diese groß geschriebene WIRKLICHKEIT, und die meiste Zeit über kommen sie sich nicht sonderlich ins Gehege. Ein Beispiel: Traditionell ist es so, wenn du einen guten spirituellen Lehrer hast, wird er die meiste Zeit kaum bei dir eingreifen. Zu gefährlich. Er oder sie wird dich deine Illusionen leben lassen. Denn dein Bild von dir ist dein besonderes kleines Stückchen Nebel, das du mit dir herumträgst. Manche haben ihn angenehm parfümiert, es ist ein rosarot gefärbter Nebel, und manche haben einen dämonischeren Nebel, der, wie ihr wisst, Teufel hat, die hindurchgucken. Doch es ist Nebel. Und hinter dem Nebel ist die WIRKLICHKEIT, da gibt es das Leben, wie es tatsächlich ist. Die meiste Zeit sind sie ziemlich getrennt. Die Menschen haben die unglaubliche Freiheit bekommen, sich fast alle Illusionen auszudenken, die sie haben wollen. Tiere haben nicht dieselbe Freiheit, Tiere müssen ihre Wirklichkeit leben. Sie haben keine Wahl. Ich werde nicht vergessen, ein Freund von mir hatte eine Traumerfahrung mit einem Fuchs, und er versuchte in dem Traum den Fuchs zu zivilisieren, und der Fuchs sagte „Nein“; ein Fuchs wird immer so handeln, wie ein Fuchs ist. Diese Tierwirklichkeit muss sich selbst treu sein, das ist in der DNA. Er kann sich nichts vormachen. Als Menschen ist uns die unglaubliche Freiheit gewährt worden, fast jede Illusion zu kreieren, die wir möchten: jede Wahrnehmung von uns selbst, jedes Lebensgefühl können wir erzeugen. Und wir können fürchterliche Szenarien und wunderschöne Szenarien schaffen und alles dazwischen. Und dann gibt es noch etwas, dass WIRKLICHKEIT heißt.

Wie schon gesagt, die meiste Zeit interagieren die Wirklichkeit und eure Illusion kaum. Genau wie es in den Upanischaden von den beiden Vögeln gesagt wird, die auf dem Ast im Baum sitzen. Der eine isst die Frucht des Baums und der andere schaut zu. Deshalb wird im Sufismus das höhere Selbst oft als shaheed bezeichnet, als Zeuge: Es schaut einfach zu. Die Wirklichkeit beobachtet einfach. Vergesst nicht, sie urteilt nicht. Die Wirklichkeit kennt kein Gut und Böse. Die Frucht ist es, die uns aus der Wirklichkeit vertrieben hat: Urteilen – dass etwas besser ist als etwas anderes oder schlechter als etwas anderes. Die Wirklichkeit beobachtet nur. Für die meisten spirituellen Leute ist das sehr schwer zu verstehen. Die Wirklichkeit schaut nur zu, sie beobachtet dich. Wie in der spirituellen Tradition, wo dich der Lehrer nur beobachtet. Er sagt sehr wenig. Wir sind geschult, nur wenig zu sagen, sonst würden wir uns in den freien Willen eines Menschen einmischen. Seid immer auf der Hut vor einem spirituellen Lehrer, der euch sagt, was ihr tun sollt. Aber wenn etwas das Potenzial zum Erwachen hat, kommt die WIRKLICHKEIT ein bisschen näher. Sie ist nicht mehr völlig separat. Die Energie beginnt sich zu verlagern. Und wenn die Wirklichkeit der Illusion nahekommt, die du hast, dann wird alles verdreht. Das Schlimme wird schlimmer, das Gute besser – wobei gut und schlecht nichts weiter als Illusionen sind, nichts ist gut. Wie Hamlet sagt: „Nichts ist gut oder schlecht, nur das Denken macht es so.“ Tatsächlich gibt es eine mystische Erfahrung, wo man sieht, dass das ultimativ Gute und das ultimativ Böse nur die zwei Seiten ein und derselben Münze sind, man kann sie in die Luft werfen. Aber wenn das, was wirklich ist, ein bisschen näher an die Illusion rückt, verdreht sich alles. Es wird rausgeschmissen. Und dann können zwei Sachen passieren: Man fängt an durchzudrehen – was eine elementare menschliche Reaktion ist – ich komme nicht mehr zurecht, es ist alles zu viel; oder man beginnt aufmerksam zu werden. Man beginnt die Luft zu schnuppern. Man kann anfangen, Zugang zu einer alten, alten Weisheit im eigenen Innern zu bekommen, die der gesamten Menschheit angehört, die aber zugedeckt und vergessen worden ist, ja, zugedeckt und vergessen, und die besagt: Es wird etwas geschehen. Und dann hast du die Wahl: Du kannst den Kopf in den Sand stecken und für das amerikanische 401K Rentenmodell sparen oder du kannst sagen: „Ich will dabei sein, wenn es geschieht, ich will da sein, wenn das Leben erwacht.“

Persönlich bin ich der Ansicht, dass jetzt so eine Zeit ist. Denn wenn ich mich umsehe, merke ich, dass etwas sehr Seltsames passiert. Und das ist nicht nur Politik und Massenvernichtungswaffen und Krieg, es ist, dass alles wirklich verzerrt, verdreht ist. Ich finde, so verdreht auf allen Ebenen, dass es wirklich total verrückt ist. Ich habe darüber kürzlich einen ganzen Vortrag in London gehalten. Im Sufismus sprechen wir von den Schleiern, die uns von der Wirklichkeit trennen, von den Schleiern, die uns zudecken. Und ich habe gesehen, dass diese Schleier jetzt so verzerrt sind, dass man wahrscheinlich keinen Weg mehr zu irgendetwas finden kann. Alles, was man sieht, ist verzerrt. Alles, was man in der äußeren Welt sieht, und alles, was man in der inneren Welt sieht, ist verzerrt. Alles ist verzerrt. Wie ein verstellter Fernsehkanal. Das ist sehr, sehr schräg. Und interessant ist, dass die meisten von uns hier in einer ähnlichen Altersgruppe sind, mindestens schon über vierzig, und wir können uns erinnern, dass es nicht immer so gewesen ist. Sogar vor dreißig Jahren war es nicht so verzerrt. Interessanterweise nehmen wir diese Verzerrungen irgendwie als gegeben hin. Wir sagen, ja das ist der Fortschritt, die Computer oder die Globalisierung, und wir machen uns nicht klar, dass etwas wirklich, wirklich in Schieflage geraten ist. Ich vermute, wir passen uns an und an und an, bis wir überhaupt nicht mehr merken, was passiert. Also, was mich interessiert, ist, dass es in mir drinnen dieses alte Wissen gibt, was es bedeutet, wenn etwas so verzerrt, so aus dem Lot gekommen ist. Ich gebe euch ein Beispiel: In unserer Kultur brauchen jetzt alle Heilung, oder? Habt ihr vielleicht jemand getroffen, der sagt: „Ich brauche keine Heilung. Danke, mir geht es gut, alles bestens.“ Warum ist das so? Sind die Menschen grundsätzlich krank geboren worden? Oder kommt das daher, dass alles verzerrt ist und unseren feinstofflichen und unseren physischen Körper und unsere innere Ausrichtung beeinträchtigt? Wir denken nicht darüber nach, wir nehmen es als selbstverständlich hin. Wir nehmen selbstverständlich an, dass etwas verkehrt ist. Doch das bedeutet, alles ist aus dem Lot. Und so gibt es in uns ein natürliches Gleichgewicht – körperlich, emotional und sogar mental – und das ist aus dem Lot. Also brauchen wir eigentlich alle so was wie eine Behandlung, damit das wieder ausgeglichen wird. Und wir erkennen nicht, dass nicht wir das Problem sind, nicht wir müssen gesund werden. Ihr könnt so viel Bio-Lebensmittel essen, wie ihr wollt, morgens euer Yoga machen und, ja, es wird helfen, ein bisschen. Aber wenn man in einer Kultur lebt, in einer Welt, in der alles verzerrt ist, verzerrt das auch einen selbst. Es wird dich unweigerlich verzerren. Es wird dich verzerren. Es ist eine sehr merkwürdige Zeit, sehr seltsam. Warum ich das wirklich so interessant finde, ist, dass allen bewusst ist, dass etwas aus ist. Wir haben die globale Klimaerwärmung. Wir haben alle möglichen Sachen, die kaputt sind. Aber irgendwie haben wir dieses uralte Verständnis verloren, uns ernsthaft zu fragen: „Was bedeutet das?“ Und so teile ich dieses uralte Wissen mit euch, das es gibt – und ich weiß nicht, es ist wohl beides, es gilt sowohl für den einzelnen Menschen wie auch für das Ganze – wenn einige Dinge sehr verzerrt werden, dann ist das so, weil etwas geschehen wird. Und ich habe eine große Leidenschaft: Ich möchte dabei sein, wenn es geschieht. Ich möchte wirklich …wisst ihr, ich war beim ersten Glastonburys Festival dabei, wo sich etwas ereignen sollte, aber dann ist es nicht passiert. Und ich möchte dabei sein, wenn es geschieht, weil ich weiß, was das bedeutet. Und da gibt es dieses unglaublich schöne Ding, das wir Welt nennen, und sie verändert sich. Sie wandelt sich. Und für mich ist es so schwer zu verstehen, dass niemand das zu bemerken scheint. Sie sind alle so identifiziert mit ihren persönlichen oder kollektiven Problemen, dass ihnen nicht bewusst ist, was jetzt tatsächlich stattfindet.

Nun heißt es, „Er ist der größte Trickster“, Er ist der größte Trickster, Er ist der größte Täuscher, und irgendwie lässt er zu, dass die Menschheit in die Falle geht – wieder und wieder und immer wieder, so, wie man von sich weiß, dass man wieder und wieder und immer wieder in die Falle geht. Was auch immer die größte Schwäche von einem ist: gescheiterte Beziehungen, psychologische Probleme, spirituelle Krisen – was immer es ist, wo man durchgehen möchte. Man bleibt immer wieder darin hängen, wieder und wieder und wieder. Und dann kommt in einem diese Zeit, wo man sagt: „Hör mal, ich hab‘ die Nase voll davon. Ich will diese Spiele nicht mehr spielen. Ich wäre wirklich viel lieber gegenwärtig. Ich möchte wirklich leben und nicht träumen – dass ich lebe. Ich möchte wirklich leben.“ Und das ist dann so, als verpflichte man sich zu etwas in einem selbst. „Ich bin hier um des Lebens willen!“ In dem Moment, wo man sagt: „mein Leben“, kann man es sein lassen, weil man dann den Schleier geschaffen hat, eine weitere Nebelschicht. In dem Moment aber, wo man sagt: „Ich bin hier um des Lebens willen“ oder „um Gottes willen“ – das spielt keine Rolle, ich denke das Leben und Gott sind im Grunde irgendwo dasselbe – dann öffnet sich eine Tür. Dann antwortet etwas im Leben.

Also, was mich fasziniert, ist, wie man in diesem Moment in der Zeit gegenwärtig sein kann, damit man die Gelegenheit nicht versäumt. Wach zu sein, wenn die Welt erwacht. Ich persönlich bin völlig überzeugt, dass die Welt auf die eine oder andere Weise erwachen wird. Weil es Zeichen gibt, weil man es in der Luft riechen kann, weil etwas so völlig schiefgelaufen ist, dass es sein muss. Da liegt dieses Lachen in der Luft. Und genau dann ist diese Wende möglich – eine sehr einfache Verlagerung im Bewusstsein – die bedeutet, zu erkennen, dass man kein getrenntes Einzelwesen ist. Dies mit der Trennung ist eine der größten Illusionen, die sich verewigt hat. Doch du bist kein getrenntes Einzelwesen, du bist niemals ein einzelnes Individuum gewesen. Alles sonst im Leben weiß, dass es nicht getrennt ist. Jede Ameise, jeder Kolibri, jede Spinne, jede Wolke, sogar die Engel, alle wissen, sie sind nicht getrennt. Sie wissen, dass sie Teil von etwas sind; sie wissen, dass sie alle zusammenarbeiten. Sie alle wissen, da gibt es dieses außergewöhnliche Ganze, und auch nur zu sagen, sie sind Teil davon, ist nicht so ganz richtig. Wir sind die einzige Art, die meint, sie sei getrennt, die denkt, das ist „ mein Leben“, ganz zu schweigen von „meine Erleuchtung“ oder „mein spirituelles Leben“, was jetzt im Westen natürlich als Massenware verhökert wird, und man kann es in jedem Geschmack, jeder Farbe, jedem Duft und überhaupt in allen vorstellbaren Variationen bekommen. Spirituelles Leben von der Nobelkaufhauskette Neiman-Marcus oder andere bevorzugen es von Whole Foods Market. Man kann bekommen, was immer man möchte. Aber es gibt nicht so etwas wie „mein spirituelles Leben“, das ist ein völliger Widerspruch in sich selbst, denn wenn es eine Wahrheit über das spirituelle Leben gibt, dann die, dass es um das Göttliche geht, um Gott geht. Es geht um das, was Wirklich ist. Wenn es überhaupt eine Wahrheit über das spirituelle Leben gibt, dann die, dass es um das Göttliche geht. Aber das bringt uns zum Basispunkt zurück: Wie können wir hier sein, wenn die Welt erwacht? Da gibt es diese Gralssage, und darin ist ein sehr, sehr einfacher Hinweis. Das Schöne an der Gralsgeschichte ist, dass sie zu unserem westlichen Erbe gehört. Eine Sache, die C.G. Jung betont hat, ist, dass man nicht einfach eine östliche Religion annehmen kann, weil die östliche Psyche anders beschaffen ist. Und in der Gralssage wird Parzival, als ihm zum zweiten Mal die Gralsburg gezeigt wird, er also, wenn man so will, das zweite Mal im Paradies gegenwärtig ist, die Frage gestellt: „Wem dient der Gral?“ Und er antwortet: „Der Gral dient dem Gralskönig.“ Ich finde das immer faszinierend, in all unserer Spiritualität im Westen haben wir offenbar die grundlegendste Frage vergessen. Der Gral dient dem Gralskönig. Es geht alles um Gott. Alles ist im Dienst Gottes. Und in dem Augenblick, in dem du das sagst und in dem Augenblick, in dem du das lebst, bist du gegenwärtig. „Hama Ust“ sagen die Sufis, Alles ist Er. Jegliches ist Er, und wir dienen Dem, mit einem großen “D“. Und eine Sache, die ich nicht verstehe, wo doch so viel in den letzten dreißig Jahren dem Westen gegeben worden ist – so viel spirituelles Wissen, so viele Lehren… Doch diese Gier, mit der wir auf die Welt gekommen zu sein scheinen, dass wir das alles für uns selbst mitnehmen wollen, damit wir diese bodenlose Leere, die wir in uns geschaffen haben, füllen können, vergisst diese fundamentale Wahrheit. Diese einfache, essenzielle Frage und Antwort, die auch bei den Sufis ist – es war im Urvertrag, als Gott die noch nicht erschaffene Menschheit fragte: „Bin ich nicht euer Herr?“ und sie antworteten: „Ja, wir bezeugen das.“ Das wird der Urvertrag genannt, der Vertrag zwischen der Schöpfung und dem Schöpfer, zwischen der Menschheit und Gott. Und wir haben diesen Vertrag geschlossen, bevor wir in die Schöpfung kamen. Es war die noch nicht erschaffene Menschheit, als die eigentliche Essenz der Seele, dieser zentrale Funke von dem, was wirklich dein wahres Selbst ist – das ist sehr, sehr schön, unglaublich schön, wenn ihr wüsstet, was das war, würdet ihr sogleich sterben – die sich vor Gott verneigte. Und natürlich muss man das dann hier in dieser Welt leben, man muss diese Frage beantworten. Und manchmal ist das nur eine individuelle Frage. Es ist dieser Wendepunkt in deinem Leben, wenn du in das eintrittst, was man eigentlich nur als spirituelle Reife bezeichnen kann, wenn dir für einen kurzen Moment der Blick auf etwas Wirkliches gegeben wird und du die richtige Haltung hast, es zu leben, und du dann sagst: „Das ist um Seinetwillen. Dieser Augenblick ist um Seinetwillen. Diese Musik ist um Seinetwillen. Dieser Dhikr ist um Seinetwillen. Dieser Tanz ist um Seinetwillen. Dieser Liebesakt ist um Seinetwillen.“ Und du ehrst diesen tiefsten Teil von dir. Dann geht ein Licht an im Menschen. Die Sufis nennen es das Licht des Erinnerns, das Licht von etwas, das in dieser Welt des Vergessens erwacht.

So, das ist bei dir, auf deiner individuellen Reise, das ist dieser Augenblick, der bei dir geschieht. Und am Anfang kämpfst du und kämpfst du und kämpfst du, das zu tun, dich zu erinnern und zu wissen, dass es um Ihn geht. Und dann kommt dieser außergewöhnliche Augenblick, wenn es in dir auf eine solche Weise erwacht, dass es nie wieder einschlafen kann. Wenn du immer im Erinnern bist, wenn du dich immer vor Gott verneigst. Und wenn etwas in dir immer betet: das Herz betet und das Herz betet und das Herz betet. Und von diesem Moment an ist alles, was du im Leben tust, Dienst an Gott. Ob du nun Brot bäckst, ob du staubsaugst, ob du als Banker arbeitest – alles, was du tust, ist dann von selbst ein Dienst an Gott. Denn dein Herz ist im Dienst an Gott, dein Atem ist in Dienst an Gott. Das ist eine Art inneren Erwachens. Du bist dir dessen nicht immer bewusst, weil das mit der Beziehung der Seele zu Gott zu tun hat. Aber das geschieht im einzelnen Menschen. Es gibt jedoch in diesem Moment der Zeit die Möglichkeit, sozusagen in die globale Arena zu treten und diese Frage zu stellen oder diese Frage zu beantworten: „Wem dient der Gral?“ „Der Gral dient dem Gralskönig.“ Ich bin hier, um Dir zu dienen. Dann kannst du in dem gegenwärtig sein, was wirklich geschieht, in dem, was wirklich stattfindet. Und dann kannst du von der Schöpfung benutzt werden, damit sich das Mysterium entfaltet, kannst du der Welt behilflich sein zu erwachen. Du oder jeder und jede von uns sind Teil der Schöpfung. Wir gehören zum Licht Gottes in der Welt. Wenn du tatsächlich wüsstest, wie das von woanders aussieht, würdest du dich nur noch vor Gott verneigen; es ist so wunderschön. Wenn du sehen würdest, wie dein spirituelles Bewusstsein Teil des Lichts der Welt ist und was jetzt zu diesem Zeitpunkt geschieht, wo sich etwas wendet oder in Wirklichkeit gewendet wird – das geschieht einerseits als organischer Prozess, andererseits ist es auch in den Händen von etwas Anderem. Wie die Sufis sagen: „Der Geliebte hält das Herz eines Getreuen zwischen Seinen beiden Fingern und dreht es, wie Er will.“ Was für den Menschen gilt, gilt auch für die Welt. Er hält das Herz der Welt zwischen Seinen beiden Fingern und dreht es. Manchmal dreht Er es von sich weg, und wir haben jetzt mindestens tausend Jahre durchgemacht, wo Er die Welt von Sich weggedreht hat. Und zwar so sehr, dass wir nicht einmal realisieren, was passiert ist. Uns ist überhaupt nicht klar, dass die Welt von Gott weggedreht worden ist. Und das ändert sich jetzt. Er will gerade oder Er ist gerade dabei, die Welt wieder zu Sich zurück zu drehen. Wie ich gesagt habe, wenn die WIRKLICHKEIT näherkommt, gerät sie mit den Illusionen der Menschheit in Konflikt und verdreht sie, verzerrt sie und verzerrt sie. Und dann hat man diese Wahl: gegenwärtig zu sein, wenn die Welt erwacht, erwacht zu sein, wenn die Welt erwacht, den Anbeginn willkommen zu heißen. Oder in dieser seltsamen, verzerrten Illusion eingesperrt zu bleiben. Die Illusionen sind bereits deformiert, aber sie werden noch viel, viel deformierter werden, das kann ich euch versichern. Ich meine, keiner weiß, was überhaupt noch wahr ist, keiner weiß, was man noch glauben kann. Da gab es eine Zeit, da hatte man einen Apfelbaum, und der brachte Äpfel hervor, und man pflückte sie und teilte sie mit den Nachbarn oder backte einen Apfelkuchen – und das war echt. Wir leben nicht mehr in einer solchen Welt. Wir müssen einen Aufkleber haben, der uns erzählt, ob es ein genmanipulierter Apfel ist oder nicht, und wir wissen nicht einmal, was das wirklich heißt. Ich weiß nicht, ob es euch bewusst ist, dass ihr wirklich keine Ahnung mehr habt, was ihr noch glauben könnt. Ihr seid so daran gewöhnt, an all diese Lügen und Täuschungen, auch Lügen und Täuschungen im globalen Maßstab. Es ist enorm, wie wir uns daran gewöhnt haben. Alles in unserem Leben ist inzwischen vergiftet, das ist die Wahrheit. Jedes bisschen Wasser ist radioaktiv, alles ist vergiftet. Fast jeder Gedanke ist vergiftet, ist deformiert, ist manipuliert. Wessen Gedanke ist das? Ist das der eigene Gedanke? Kommt er von jemand anders? War das vielleicht… jemand hat diesen Gedanken fabriziert. Gibt es noch etwas, das man selbst möchte oder kommt das von woanders her in unseren Sinn? Hat man überhaupt noch eine eigene Idee? Will man etwas, weil es gut schmeckt, weil man es gern mag oder weil einem jemand erzählt, dass es gut für einen ist? Und wir erkennen nicht einmal, dass das passiert ist. Vor vierzig Jahren war das nicht so. Als ich heranwuchs, ja, da gab es schon den Materialismus. Aber es war ehrlicher, unverblümter Materialismus. Man wollte eine Waschmaschine, und vielleicht hatte der Nachbar schon einen Farbfernseher. Und wenn man in England lebte, wollte man am Sonntag einen Braten mit Kartoffeln und Rosenkohl auf dem Tisch haben. Und das war was Echtes. Und jetzt mitten drin in dieser unfassbaren Illusion, unfassbaren Deformierung – unglaublich; und was ich kürzlich feststellte – ich habe das mit einigen von euch geteilt – ist, dass nicht nur die äußere Welt verzerrt ist, auch die innere Welt ist verzerrt, deformiert. Man weiß nicht mehr, was wahr ist in der inneren Welt; man weiß nicht, ob die Symbole in der inneren Welt einfach nur von irgendeiner Werbeagentur reingestellt worden sind oder ob sie aus dem kollektiven Unbewussten kommen – man weiß es einfach nicht mehr. Denn alles ist jetzt manipuliert, man hat keine Ahnung mehr, was wahr ist. Und das ist ein Zeichen, dass eine Ära am Untergehen ist. Ein klassisches Zeichen, was geschieht, wenn eine Ära sich dem Ende nähert. Tatsächlich ereignet sich das, wenn die WIRKLICHKEIT beginnt, die Illusionen zu verzerren, bis sie fast aus dem Ruder laufen. Dann kann man entweder versuchen, die Illusionen auszuwechseln – hart daran arbeiten, sich auf eine bessere Illusion auszurichten – oder man kann sagen: „Dafür bin ich nicht wirklich hier, darum geht es nicht.“ Im Menschen gibt es etwas Tiefes. Tatsächlich haben wir alle, jeder und jede von uns, unter all dem eine grundlegende Integrität als Mensch. Irgendwie spüren wir inmitten von allem, dass wir belogen werden. Wir wissen, dass nichts wahr ist. Und so kann ich nur sagen, kehrt zu dem eigentlich menschlichen Teil von euch zurück, der eure Beziehung zu Gott ist. Das ist alles.

Meine Lehrerin sagte: Ihr bringt zwei Dinge mit in die Welt: den Wunsch zu leben, zu überleben – den Überlebensinstinkt – und den Wunsch, anzubeten. Alles andere ist später dazugekommen, später hinzugefügt worden. Kehrt also zu dieser ursprünglichen Prägung zurück, die in gewisser Weise die Erinnerung daran ist, als ihr zusammen mit Gott im Garten Eden wart, als ihr mit Gott zusammen wart. Kehrt zu dem in euch zurück, dann könnt ihr nicht in die Irre gehen. Denn das ist wahr, wenn ihr das nicht hättet, könnte die Seele nicht länger überleben. Und es gibt Seelen, die haben dies in der Welt hier verloren. Die haben diese Erinnerung verloren. Man nennt sie verlorene Seelen, sie können ihren Weg nicht finden. Ihr könnt sie auf den inneren Ebenen herumwandern sehen. Sie können ihren Weg nicht finden, sie haben die Verbindung verloren. Und all die Seelenrückholungsarbeit der Welt kann ihnen nicht helfen; sie wandern zwischen den Welten. Das ist eine seltsame Existenz.

All die Illusionen können euch nicht über eure menschliche Integrität hinwegtäuschen, über das, was wirklich in euch ist. Das ist ganz einfach. Irgendwo weißt du, was es heißt, wirklich lebendig zu sein. Du weißt, warum du hier bist, und dass es nicht um Selbstentwicklung geht. Ich will damit nicht sagen, dass Selbstentwicklung eine schlechte Sache ist, das kann dir helfen, sicherlich. Aber du bist um Seinetwillen hier. So, wie die gesamte Schöpfung um Seinetwillen da ist. Um Seinetwillen, um Ihretwillen, das spielt keine Rolle. Das ist nur ein Wort. Es gibt dieses schöne Gedicht: „Prabhu, Allerhöchster Geist, Gütiger und Barmherziger Allah, mein Einer Unendlicher; Allein auf Dein Geheiß will ich die Pilgerfahrt des Lebens vollziehen, aus Liebe zu allem, was Du erschaffen hast, und zu Deinem Ruhme.“ Was für eine Lebensweise! Allein auf Dein Geheiß will ich die Pilgerfahrt des Lebens vollziehen, aus Liebe zu allem, was Du erschaffen hast, und zu Deinem Ruhme. Wenn du Das lebst, diese Prägung in dir, dann kannst du dich von einer Welt, die stirbt, abwenden und einer Welt zuwenden, die am Erwachen ist, denn das ist Seine Welt. Diese sterbende Welt ist nicht Seine, das kann ich dir versichern. Das ist ein schlechter Traum, ein verzerrter Traum. Seine Welt ist es, die erwacht. Wie in deinem Erwachen, du bist dann plötzlich in Seiner Schöpfung gegenwärtig – nicht in deiner eigenen Schöpfung. Das ist ein fundamentaler Unterschied: Du bist plötzlich in Seiner Schöpfung gegenwärtig, deshalb heißt das Erwachen. Du bist dann wach für das, was ist, nicht für das, was nicht ist. Und ich meine – vielleicht bin ich ein spiritueller Romantiker – ich meine, Er würde gern ein paar Leute dabeihaben, die gegenwärtig sind, wenn Er Seine Welt aufweckt.

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