Transkript der Podcast-Reihe:
Geschichten für eine lebendige Zukunft

 

In den zwei vorausgegangenen Podcasts habe ich damit begonnen, einen neuen Faden in die jetzige Landschaft von Klimakrise und grundlegender Veränderung einzuweben – nämlich, dass die Erde Selbst sich verändert, dass Sie eine Transformation durchmacht. Um uns herum können wir die sich überstürzenden Krisen, kennzeichnend für das Ende einer Ära, sehen, den Verlust an Artenvielfalt mit möglichen Kipppunkten und Klima-Rückkopplungsschleifen, während wir zunehmende Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren erleben, wie auch das Zerbrechen unseres gesellschaftlichen Gefüges mit wachsender ethnischer und sozialer Ungleichheit und steigenden Flüchtlingszahlen. Doch diese sich beschleunigende Veränderung hat noch eine andere Dimension, die mir zum ersten Mal vor über dreißig Jahren gezeigt worden ist, als ich tief in die innere Welt genommen wurde – in das archetypische Reich, das dem Leben zugrunde liegt und so stark unser gemeinsames Schicksal bestimmt.

Wie bereits erwähnt, war ich in meinen Dreißigern, als ich in die archetypische, symbolische Welt genommen wurde. Das geschah in einer Reihe von Reisen über einen Zeitraum von sieben Jahren1, wobei ich eine kleine Gruppe in diese innere Realität führte. Dem am nächsten kommen meiner Ansicht nach schamanische Reisen, die wahre Erfahrungen der imaginalen Welt und ihrer Bewohner sind. Viele Male wurde mir gezeigt, wie wir dieses Reich vernachlässigt haben, wie ein innerer heiliger Raum ohne Kinder ist, wie Unkraut auf seinen Pfaden wuchert, wie das Land nicht mehr mit Liebe gehegt wird. Und oft ist eine tiefe Trauer in diesem inneren Reich, und seine Bewohner sind erblindet, weil sie keine Verbindung mehr zur äußeren Welt haben, zum Alltagsleben, wie sie es früher hatten. Das war damals, als wir in bewusster Verbindung mit der symbolischen Welt lebten, als sie durch Rituale, Gebete und Respekt in unseren Alltag einbezogen war, in unser Pflanzen und Ernten und in unsere ums Feuer geteilten Geschichten.

In der inneren Welt gab es großen Kummer über diese Vernachlässigung durch uns, es fehlte ein Gefühl der Freude. Und eine Qualität von Magie, die zu unserer eigenen Verbindung mit dieser Welt gehört, wurde immer tiefer verschüttet, bis sie fast nicht mehr zugänglich geworden ist. Die Wurzel dessen war das verletzte Weibliche, „dessen Tränen sich um es gewoben hatten, und es weint seit Jahrhunderten.“ Da unsere patriarchale Kultur es vernachlässigt und verkannt und sowohl Frauen wie das innere Weibliche missbraucht hat, weint es in den Tiefen der Psyche.

Es lag aber noch ein tieferes Geheimnis in diesem Kummer, das die Erde Selbst auf einer Reise mit einer Gruppe von neun Frauen teilte. Als erstes erfuhren wir von dem Leid, das wir der Erde zufügen:

Da vor dir siehst du die Erde, und du siehst, welchen Schaden der Mensch ihr zufügt. Du fühlst es in den Zellen deines Körpers, die Zerstörung, den Mangel an Fürsorge, die Gier. Du siehst, wie sehr er den Körper der Erde verletzt. Du fühlst es, wie er ihn zerreißt. Und du fühlst das tiefe Bedürfnis der Erde, geliebt und genährt und umsorgt zu werden. Und nicht Opfer zu sein. All ihr neun Frauen fühlt das gemeinsam, es ist Teil von euch und ihr seid Teil von ihr. Ihr fühlt, dass die Erde nicht versteht, was geschieht, wie Ihre Kinder Sie zerstören, die Sie doch so sehr liebt.

Und so sagt ihr alle zu Ihr: „Wie können wir dich heilen, dich, die du Teil von uns bist, dich, die du unser Blut bist. Wie können wir dir in dieser Zeit helfen, wo sie doch dabei sind, dich zu zerstören?“

Dann siehst du vor dir, wie die Erde Ihre Gestalt verändert, und Ihre Stimme spricht zu euch und sagt: Mein Leiden ist meine eigene Erfahrung. So wie euch euer Schmerz zu einem größeren Verständnis führen kann, so ist es auch mit Mir, denn wir gehören zusammen, wir sind Teil von einander. So wie eure Wunden euch tiefer in euer Innerstes führen können, so ist das auch bei Mir. Doch du musst das Beste aus diesem Moment in der Zeit machen, wo es so ist, als öffnete sich die Haut zwischen den beiden Welten und der Schmerz und die Liebe würden eins. Denn es liegt soviel Gnade in diesem Augenblick der Entwicklung, mehr als ihr euch das jemals vorstellen könnt. Und so wie euer Leiden ein silberner Faden ist, dem ihr zum Innersten eures Herzens folgen könnt, wo die Wahrheit ist, so ist es auch für die ganze Welt, die Mein Körper ist. Wir müssen tiefer schauen als auf den Schmerz, auf den Sinn hinter dem Schmerz und den Zweck des Schmerzes. So wie die Liebe ihre Tränen hat und die Rose ihre Dornen, so ist es auch bei Mir. Aber als Frauen seid ihr Mir näher als Männer, deshalb will ich mein Geheimnis mit euch teilen. Mein Geheimnis ist, dass im Innern dieses Leidens neues Leben heranwächst, wie noch nie zuvor.“

Plötzlich versteht ihr, dass dieser Ort Erde sich unter den anderen Planeten auf eine Weise verändert, wie es nicht vorauszusehen war. Ihr seht, wie sich eine neue Energie entfaltet und wie das alles im menschlichen Herzen stattfindet.

Vor fünfunddreißig Jahren, als mir das gezeigt wurde, hatte der Verlust an Biodiversität und die Umweltverschmutzung noch nicht in diesem Ausmaß den Körper der Erde verwüstet, wie es in den letzten Jahrzehnten geschehen ist. Die Meere waren noch nicht voll von Plastik, und 1985 war es das letzte Mal, dass die Erde kälter als im Durchschnitt war. Doch war das Leiden der Erde trotzdem sehr präsent, und in diesem Leiden wuchs ein neues Leben heran. Leiden kann unser eigenes Herz öffnen und auch das Herz der Welt. Deshalb ist unser Schmerz über den von unserer Kultur verursachten Ökozid so machtvoll – er kann unsere Herzen zur Liebe und zum Beten für die Erde öffnen, damit Sie ein Ort der Heilung und der Transformation wird.

Diese Erfahrung nimmt uns tiefer in den spirituellen Körper der Erde als es die Oberflächen-Auswirkungen wie steigende Temperaturen und CO2-Emissionen tun. Sie deutet darauf hin, dass eine neue Ära für die Menschheit auch eine neue Ära für die Erde bedeuten könnte und unsere gemeinsame Reise weitreichender ist als wir denken. Und dass dieser Augenblick in der Zeit, wenn es zu einer Öffnung zwischen den Welten kommt, eine Möglichkeit mit sich bringt, die jenseits unserer jetzigen Vorstellungen ist. Die Transformation der Erde gehört wohl nicht zum Inhalt unserer Lexika, doch das heißt nicht, dass es sie nicht gibt.

Was bedeutet es, dass die Erde Selbst sich umwandelt? Sie ist bereits durch andere Transformationen gegangen, damals, zum Beispiel, als das erste Mal Leben auftrat. Mikroskopisch kleine Organismen haben in Felsen Signale ihres Vorhandenseins vor ungefähr 3,7 Milliarden Jahren hinterlassen. Oder als Blütenpflanzen vor 130 Millionen Jahren erschienen und bald das Land mit Farben und Schönheit überzogen, als sie sich in einer Explosion der Vielfalt diversifizierten. Davor war die Erde friedvoll, düster, grün, von Fischen, Schildkröten und Libellen bewohnt. Nachdem sich die Blühpflanzen gebildet hatten, wurde die Erde ein Garten – voller strahlender Farben und Spielarten, besucht von Schmetterlingen und Honigbienen. Blumen in allen Formen und Farbschattierungen blühten inmitten des Grüns. Und so wurde die Erde auf neue Weise lebendig.

Und dann, wahrscheinlich vor zweihunderttausend Jahren, wurde das menschliche Bewusstsein im Homo Sapiens geboren. Durch dieses erwachende Bewusstsein wurde sich die Erde auf neue Weise Ihrer Selbst gewahr, sich der numinosen Schönheit Ihrer Formen und Ihrer heiligen Natur bewusst. Das war „Im Anfang unserer Geschichte“, das Erwachen von Magie und Wunder, als etwas in der Erde Verborgenes ins Leben trat. In jener uranfänglichen Morgendämmerung erblühte ein neuer Same, und als den ersten Sehern und Schamanen die heiligen Namen der Schöpfung gegeben wurden, die Ursprünglichen Weisungen, wie für die Erde zu sorgen und in Lob und Dank zu leben sei, kam die Magie zur Blüte und das Lied der Schöpfung konnte vernommen werden. In der ersten Podcast-Folge erzähle ich in Als die Quelle frei floss die Geschichte dieses Anfangs, erzähle von dieser Note der Quelle, von diesem Ort reinen Seins. Und dass diese Note, dieses Lied, dieses Gebet darauf wartet, wiederentdeckt zu werden, denn sie ist unser Erbe und gehört sowohl zu unserer Vergangenheit wie auch zu unserer Zukunft, zu unserer gemeinsamen Reise, zusammen mit der Erde. Wenn Same, Erdreich und die Seele gemeinsam singen.

Es ist Zeit, die tiefere Dimension unserer Reise zusammen mit der Erde aufs Neue zu entdecken, dass wir aus Sternenstaub und Erdboden geboren sind und die Erde unsere Liebe, unsere Fürsorge, unsere Aufmerksamkeit und unser Beten braucht, damit Sie wieder vollständig lebendig werden kann. Und dass diese Wiedergeburt eine Transformation sowohl für die Erde wie auch für die Menschheit bedeutet. Doch da wir die inneren Welten verworfen haben, da wir nicht mehr an die Magie glauben und meinen, es gehe bei der Reise der Menschheit ums Überleben, ist es schwer, die Bedeutung dieses Augenblicks in der Zeit zu erfassen, wenn die Tore zwischen den Welten offenstehen, „als öffnete sich die Haut zwischen den beiden Welten.“

Die Erde wird sich wandeln. Das ist Teil des sich ständig weiterentwickelnden Tanzes des Kosmos. Welche Rolle wir in dieser Veränderung spielen werden, ist weniger sicher. Muster einer tiefergehenden Neuausrichtung finden statt, Muster, die unsere Mitarbeit brauchen, Dynamiken des Mitschöpfertums. Wir sind dabei, Verbindungen zu schaffen, die es ermöglichen, dass sich dieses Werk entfaltet, Gemeinschaften zu bilden, die auf eine neue Lebensweise zeigen. Doch es gibt auch Kräfte innerhalb der Erde und in unserer menschlichen Gesellschaft, die nicht wollen, dass diese Zusammenarbeit stattfindet, und die mit der alten Geschichte der Trennung und ihren selbstzerstörerischen Machtdynamiken fortfahren möchten. Sie wollen uns unbedingt weiter in Gier und Verlangen versklaven. Sie haben sogar die spirituelle Arena verschmutzt, indem sie zu Selbstverbesserung und Wohlbefinden animieren und nicht zu selbstlosem Dienen. Man kann Beten und Hingabe nicht auf dem Marktplatz verkaufen. Das Sonnenlicht aber ist immer frei, und Licht findet seinen Weg durch die Risse in unserer individuellen und kollektiven Abwehr.

Ich glaube, dass wir ein gemeinsames Schicksal haben – eine Geschichte aus verschiedenen Fäden, verwoben seit Anbruch des ersten Tages. Sogar in dieser Zeit der Verfinsterung, wenn es so aussieht, als hätten wir jede Chance verpasst, erschafft sich das Leben von neuem. Wir sind Teil des Lebens, Teil dieser Regeneration, dieser Neuausrichtung, auch wenn unsere Aufmerksamkeit völlig abgelenkt und unsere Lebensweise ein Mittel für schreckliche Zerstörung und Entheiligung ist, Arten vernichtet, sowie die inneren und äußeren Welten verseucht. Wir sind beides, Geist und Materie, und zusammen mit der ganzen Schöpfung werden wir wiedergeboren. Zerstreut durch die Bilder auf unseren Fernsehern, Computerbildschirmen und jetzt Smartphones, werden wir das vielleicht Generationen lang nicht wissen. Wir sind so beschäftigt, wir haben nicht die Zeit, um zu bezeugen, was wirklich geschieht. So wenig Licht ist geblieben, um zu sehen, der Lärm unseres Alltagslebens ist so laut, dass es schwer ist hinzuhorchen. Aber die Zyklen des Lebens und des Kosmos, die Jahreszeiten der Seele und der Weltseele, bestehen weiter. Und die uralten Versprechen werden immer gehalten, die Versprechen zwischen Himmel und Erde, die Versprechen, die uns wahre Hoffnung und Sinn geben, die Versprechen, die unsere Seele hören kann, auch wenn unsere Sinne und unser Verstand nicht fähig dazu sind.

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  1. https://archetypaljourneys.wordpress.com/