Transkript der Podcast-Reihe:
Geschichten für eine lebendige Zukunft

 

Im vorausgegangenen Podcast habe ich mich als Reaktion auf die gegenwärtige ökologische Krise darauf fokussiert, welche elementare Bedeutung eine Veränderung des Bewusstseins hat und dass es eine neue Erzählung braucht. Die zentrale Note davon ist: Solange wir nicht unser Bewusstsein wieder auf die lebendige Erde hin ausrichten – was ich als tiefenökologisches Bewusstsein bezeichnet habe –, wird es keine lebendige Zukunft geben, keinen Weg, diese Zeiten zu überleben, und zwar weder physisch noch spirituell, weder mit Körper noch mit Seele. Es scheint auch wenig Nutzen zu bringen, Pläne zu machen, weil die Gegenwart und die absehbare Zukunft durch die sich beschleunigende Klimakrise und das immer trostloser werdende seelenlose innere Ödland derart ungewiss sind. Ja, bestimmte Arbeiten sind essenziell, wie zum Beispiel die Reduzierung des CO2-Ausstosses und die Eindämmung des Biodiversitätsverlustes, aber es gibt tiefere Veränderungen und Fragen, die unsere gegenwärtigen Modelle nicht beantworten können.

Allerdings bin ich, als ich vor zehn Jahren mein erstes kleines Buch über diese Zeit des Übergangs Darkening of the Light, Witnessing the End of an Era veröffentlicht habe, gefragt worden, welche Schritte in dieser komplexen Zeit zu tun seien? Normalerweise widerstrebt es mir, Leuten zu sagen, was sie tun sollen, weil wir alle unsere ganz eigene innere Weisheit, unsere eigene Führung und unseren Weg haben, uns wieder mit der Seele der Welt zu verbinden. Aber diese Rückmeldung hat etwas in mir zum Schwingen gebracht und ich entwarf einen „Vier-Punkte-Plan“, der eine Vier-Punkte-Reaktion auf unser derzeitiges Dilemma skizziert und auf der Tradition des Bezeugens und den Sufi-Prinzipien von Liebe und Dienen beruht. Der erste Punkt ist, zu bezeugen, was in den äußeren wie auch in den inneren Welten geschieht. Der zweite ist, offen zu sein und den Schmerz zu fühlen über das, was geschieht, die Umweltzerstörung und das Leid, das wir der Erde zufügen. Und da ich um die Macht des Betens weiß, eines Herzens, das zu Gott schreit, schlug ich als dritten Punkt vor, dass für die Erde zu beten eine Resonanz auf diesen Schmerz sein könnte, wobei wir die Erde in unserem Herzen halten und sie dem Göttlichen darbringen, der Quelle allen Heilens und der Liebe. Und zuletzt, als vierten Punkt, empfahl ich, dass wir uns, statt Pläne zu machen, besser mit Liebe für kleine Dinge einsetzen und die Praxis der liebenden Güte in unser Leben und unsere Gemeinschaften bringen sollten, in unseren täglichen Austausch miteinander und mit der Erde. 

Eine Dekade später habe ich das Gefühl, es könnte hilfreich sein, diesen Plan zu aktualisieren, da die Umweltzerstörung mit sich beschleunigenden Folgen zugenommen hat und unsere Zukunft immer düsterer ausschaut. Meine vorrangige Reaktion ist immer, unser Bewusstsein zum Gewahrsein der heiligen Natur der Schöpfung zurückzubringen, zu ihrer essenziellen Einheit und ihrer wechselseitigen Abhängigkeit, und in einem weiteren kleinen Buch: Spirituelle Ökologie in der Praxis: Das Heilige im Alltag wiederentdecken gebe ich zehn Übungen für diese Arbeit. Doch mich zieht es hier dazu, einige Trittsteine durch die zunehmende Finsternis dieser Zeit aufzuzeigen, einer Dekade, die so sehr unsere gemeinsame Zukunft bestimmen wird.

Der erste dieser Schritte ist, dass wir, statt zu bezeugen, die grundlegende Wahrheit anerkennen müssen, dass unsere jetzige Lebensweise, unsere heutige Zivilisation vorbei ist – aus dem einfachen Grund: Sie ist untragbar geworden. Dies wird immer sichtbarer durch die zunehmenden Feuer und Überschwemmungen und auch durch die ökologischen Verwüstungen, den Ökozid, verursacht durch die fortgesetzten Muster des Wirtschaftswachstums – und da eine ständig zunehmende Weltbevölkerung nach einem energieintensiven Mittelstandsleben strebt. Trotz der sich beschleunigenden Auswirkungen der Klimakrise zeigen diese konsumgetriebene Zivilisation und die sie fördernden Systeme keine Anzeichen für eine wirkliche, fundamentale Veränderung. Möglich ist, dass sich diese zunehmend selbstzerstörerische Spirale noch Jahrzehnte hält. Am Ende des römischen Reichs, nachdem die letzten Legionen England verlassen hatten, kam es erst allmählich dazu, dass die Villen aufgegeben wurden und das städtische Leben verschwand, als die meisten zur Subsistenzwirtschaft zurückkehrten.

Kollektiv mögen wir das weiter leugnen, aber wer durch die Risse in unserer jetzigen Zivilisation schaut, weiß, dass es grundsätzlich vorbei ist – denn es gibt keinen gangbaren Weg „zurück zur Normalität“, auch wenn kein Modell für eine neue Ära zu erkennen ist. Die Öko-Buddhistin Joanna Macy spricht vom Großen Auflösen, das zur Großen Wende führt, eine Umkehr zu einer lebenserhaltenden Zivilisation, aber sie bemerkt auch, dass wir jetzt in einem Zeitraum ohne Landkarte sind, was sie mit dem Bardo im tibetischen Buddhismus vergleicht – einen Raum oder eine Lücke zwischen verschiedenen Welten.

Wie reagieren wir auf diese sich beschleunigende Krise, diese fundamentale Erkenntnis, dass unsere gegenwärtige Lebensweise vorbei ist? Für einen somalischen Viehhirten, der sich gezwungen sieht, das Stück Land zu verlassen, das ihn Jahrtausende lang genährt, jetzt aber nach Jahren der Dürre seinen Viehbestand getötet hat, ist seine Geschichte die von Flüchtlingslager und physischem Überleben. Ähnlich für die Bewohner der Salomoninseln, wo der steigende Meeresspiegel sie gezwungen hat, ihren Stammessitz zu verlassen und sich anderswo anzusiedeln. Im wohlhabenden Westen, wo unsere Supermärkte noch gut mit Nahrungsmitteln bestückt sind, außer man ist direkt von Bränden, Trockenheit oder Überschwemmungen betroffen, sind die physischen Auswirkungen nicht so drastisch. Doch es ist absolut notwendig, dieser existentiellen Katastrophe eine Stimme zu verleihen, die Muster des Leugnens zu durchbrechen, die dem Profit Vorrang geben vor der gemeinsamen menschlichen Teilhabe. Ich bewundere die jungen Leute, die den Mächtigen die Wahrheit sagen, die für eine lebendige Erde schreien, für die Wildblumenwiesen, die sie wohl nicht mehr sehen, für den Vogelgesang, den sie nicht mehr hören werden. Unsere Zukunft steht auf dem Spiel, während die Regierungen Versprechungen machen, die sie nie halten, und die CO2-Emissionen weiter ansteigen. Unterdessen wächst die soziale und ethnische Ungleichheit, und wie Greta Thunberg prägnant feststellt: „Unsere Zukunft wird von einer sehr kleinen Zahl von Leuten geopfert, damit sie weiter enorme Mengen Geld machen können.“

Es liegt viel praktische Arbeit an, um die Auswirkungen dieser Krise einzudämmen und Modelle für eine nachhaltige Zukunft zu schaffen, zum Beispiel: erneuerbare Energien weiter zu entwickeln, regenerative Landwirtschaft, die in der Lage ist, hochwertige, nährstoffreiche Lebensmittel zu produzieren bei gleichzeitiger Verbesserung statt Verarmung des Bodens; oder an Modellen für eine Degrowth-Ökonomie zu arbeiten als Alternative zu der selbstzerstörerischen Fantasie vom fortwährenden Wirtschaftswachstum. Das sind einige der vielen Wege für den Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft. Es gibt auch verschiedene Gemeinschaften, die diese Arbeit unterstützen, so die Transition-Town- Bewegung, die versucht, eine kohlenstoffarme, sozial gerechte Zukunft mit katastrophenresistenten Gemeinschaften zu schaffen, eine fürsorgliche Kultur, die darauf ausgerichtet ist, sich gegenseitig zu unterstützen. Und dann geht es noch um die Eigenschaft der Resilienz, die für den Übergang durch diese turbulenten Zeiten gebraucht wird – die Fähigkeit auf Schwierigkeiten und Anforderungen, denen wir begegnen werden, zu reagieren und besonders die Qualitäten der Fürsorge und Gemeinschaft zu entwickeln, die uns stützen können, und zwar emotional und physisch.

Doch ist dies hier jetzt, wie ich darauf hingewiesen habe, nicht nur eine physische, sondern auch eine spirituelle Krise, die sowohl unsere Herzen wie auch unsere Hände braucht. Während sich einige zum Aktivismus hingezogen fühlen oder zur praktischen Arbeit am Übergang, müssen wir offen sein für die tiefere Dimension dieser Zeit. In den vergangenen Jahren bin ich morgens häufig mit einem tiefen Kummer in meinem Herzen aufgewacht, als erzählte mir meine Seele ihre Geschichte von dem, was in der Welt um sie passiert, nicht allein dem Verlust von Arten, sondern von der Schönheit und dem Wunder, die verloren gehen, von der Qualität des Heiligen, das aus dem Bewusstsein schwindet. So lange schon gehen wir im Schatten dieses dunklen Monsters der Gier und Ausbeutung, und wir können den Konsequenzen nicht entrinnen.

Viele Leute verwenden jetzt den Ausdruck „Klimatrauer“, um die großen Verluste in unserer gegenwärtigen Welt auszudrücken, all die Veränderungen, die eingetreten sind und noch kommen werden. Da ist auch noch die persönliche Trauer, wenn man zum Beispiel erlebt, dass ein Ort der Schönheit oder ein wildes Fleckchen Erde, das man in seiner Kindheit so  gern hatte, verschwunden ist. Doch es gibt auch die kollektive Trauer darüber, wie wir diese wunderschöne leidende Welt behandeln, wie die riesigen Monokulturen sie überziehen und der Einsatz von Pestiziden das Netz des Lebens mit all seinen Mustern der Artenvielfalt strapaziert. Und wenn dieser Kummer nicht erkannt oder angenommen wird, kann er zur „Ökoangst“ führen. Aber wird dieser Kummer, diese Trauer akzeptiert, zu sich genommen, kann sie uns tiefer nach innen bringen, zurück zur Liebe für die Erde. Und die Erde braucht unsere Liebe, so wie sie es auch braucht, dass wir Ihr Leiden annehmen.

Trauer öffnet unser Herz für die Liebe, und unsere Liebe ist es, die heilen kann, was misshandelt und entweiht worden ist, so wie Thich Nhat Hanh dies in seiner einfachen Weisheit ausgedrückt hat:

„Wirkliche Veränderung wird nur geschehen, wenn wir uns in den Planeten verlieben. Nur die Liebe kann uns zeigen, wie wir in Harmonie mit der Natur und miteinander leben können, und uns von den verheerenden Auswirkungen unserer Umweltzerstörung und des Klimawandels bewahren.“

Die Liebe ist das größte Geschenk des Lebens an uns und unser größtes Geschenk zurück an die Erde. Bei all den Problemen, denen wir gegenüberstehen, wird diese simple Wahrheit oft übersehen. Aber ich glaube fest daran, dass die Erde nicht ein Problem darstellt, das es zu lösen gilt, sondern dass sie ein Lebewesen in Not ist und unsere Liebe, unsere Fürsorge und unsere Aufmerksamkeit braucht.

Liebe und Fürsorge – Sorge füreinander, Sorge für die Erde – sind die grundlegendsten, wertvollsten menschlichen Eigenschaften. Und die Liebe gehört der Einheit an. Wir erfahren das in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, wie die Liebe uns näher zueinander zieht, und in den intimsten Momenten können wir sogar die körperliche Vereinigung erleben. Die Liebe kann in uns auch das Bewusstsein dafür wecken, dass wir eine einzige menschliche Familie sind, obwohl unsere Herrschenden immer autoritärer und unsere Politiker immer polarisierender werden. Und auf tiefster Ebene kann uns die Liebe wieder mit unserer essenziellen Einheit mit allem Leben, mit der Erde Selbst, verbinden. Um wieder Thich Nhat Hanh zu zitieren: „Nur wenn wir uns wieder wahrhaftig in die Erde verliebt haben, werden unsere Handlungen der Ehrfurcht und den Erkenntnissen über unsere allseitige Verwobenheit entspringen.“

Die Liebe vermag uns zur tiefen Teilhabe am Leben des Ganzen zu öffnen; sie kann uns wieder lehren, wie man der ERDE lauscht, Ihren Herzschlag fühlt, Ihre Seele wahrnimmt. Sie kann uns für das Heilige im Gesamt der Schöpfung öffnen und uns wieder mit unserem ursprünglichen Wissen verbinden, dass das Göttliche in allem gegenwärtig ist – in jedem Atemzug, jedem Stein, jedem belebten und unbelebten Ding. Wir sind alle verbunden, Teil dieser großen Unterhaltung mit dem Wind und dem Regen, den Flussläufen und den Bäumen.

Sind unsere Herzen offen, können wir der Erde antworten und für sie beten. Die Erde braucht unsere Gebete mehr als wir ahnen. Wir haben die Erde geplündert, geschändet, verschmutzt, sie in einen gefährlichen Zustand des Ungleichgewichts gebracht, den wir Klimawandel nennen. Die Schöpfung ruft uns jetzt verzweifelt, sendet uns Zeichen ihres Ungleichgewichts. Unsere Trauer, unser Kummer ist eine Antwort auf den Schrei der Erde, erwachsen aus dem tiefen Gefühl des Interseins, der allseitigen Verflechtung.

In meiner eigenen Praxis nehme ich die Erde als lebendes Wesen in mein Herz und biete sie dem Göttlichen dar. Für mich ist die Herzensverbindung die einfachste und mächtigste Verbindung, die wir haben, und Beten, die Grundlage der meisten Religionen und spirituellen Pfade, ist unsere direkteste Verbindung, unsere Kommunion mit dem Göttlichen. Es gibt jedoch so viele Möglichkeiten, für die Schöpfung zu beten, nach innen zu lauschen und die Erde in unsere Praxis einzuschließen. Gärtnern oder Kochen kann Gebet sein, weil unsere Hände den Erdboden und seine Geschenke berühren. Das einfache Wunder einer Morgendämmerung zu beobachten ist allein oft schon Gebet. Oder wenn wir am Morgen dem Chor der Vögel zuhören, spüren wir vielleicht diese tiefere Freude des Lebens und werden uns seiner göttlichen Natur bewusst. Des nachts können uns die Sterne daran erinnern, was unendlich und ewig in uns ist und in der Welt. Wie auch immer wir zum Staunen oder Beten veranlasst werden, entscheidend ist die Haltung, die wir diesem intimen Austausch entgegenbringen: ob unser Beten tief empfunden ist oder nur eine mentale Übung. Unsere Gebete werden immer nur durch das Herz gehört. Fühlen wir wirklich das Leiden der Erde, spüren wir Ihre Not? Fühlen wir diese Verbindung mit der Schöpfung, fühlen wir uns als Teil dieses wunderschönen leidenden Wesens? Dann sind unsere Gebete lebendig, ein lebendiger Strom, der aus unserem Herzen fließt. Dann wird jeder Schritt, jede Berührung zu einem Gebet für die Erde, ein Erinnern an das, was heilig ist. Wir gehören der Erde an, die in der Zeit Ihrer Not schreit.

Wenn unsere Herzen wie auch unsere Hände mit unserer Liebe für die Erde verbunden sind und wir mit unserem Geist und unserer Seele die extreme Natur dieses Augenblicks erkennen, können wir uns an der Arbeit für die zukünftigen Generationen beteiligen. In diesem gegenwärtigen Augenblick gibt es nicht nur die Gefahren des Klima- und Umweltkollapses, sondern auch die Samen einer neuen Daseinsweise mit der Erde – die Möglichkeit einer neuen Erzählung, einer neuen Zivilisation, die Respekt zeigt für die uns umgebende mehr-als-menschliche-Welt. Wie sich diese Zukunft entfalten wird, ist eines der großen Geheimnisse dieses Schwellenmoments, dieser Landschaft, in die wir jetzt gehen. Wir treten in eine Zeit der radikalen Ungewissheit ein.

Und es ist dieser Moment, der unsere Aufmerksamkeit in einer Art und Weise braucht, die unser rationaler Verstand nicht zu erfassen weiß, unser Herz aber fühlen kann. Wie ich in diesen Geschichten gezeigt habe, gibt es eine Weisheit in uns und in der Erde, die zu diesem Raum zwischen den Geschichten gehört, zwischen dem, was stirbt und dem, was darauf wartet, geboren zu werden. Die meisten Menschen sind zu sehr in den Bildern der Vergangenheit gefangen oder in Träumen von der Zukunft, auch einer nachhaltigen Zukunft, als dass sie in der intensiven Verletzlichkeit dieses Raums zugegen sein könnten, diesem Ort des Nichtwissens. Das erfordert Mut und Hingabe an das Geheimnis des Lebens und eine Qualität der Empfänglichkeit, um zu vernehmen, was noch unausgesprochen ist. Hier, in diesem Moment außerhalb der Zeit, sind die noch ungelebten Möglichkeiten gegenwärtig, Muster, die noch zu formen sind. Hier ist es, wo sich das Formlose und die Form begegnen, wo ein neuer Tanz beginnen kann.

Hier, in diesem Raum zwischen den Erzählungen, kann man die Fäden einer möglichen Zukunft fassen und sie ins Leben zu weben beginnen. Nicht durch Tun oder Planen, sondern mit einer Qualität der Aufmerksamkeit, die zum Herzen und zur Seele gehört, eine Aufmerksamkeit, die ein tieferes Wissen hochzuholen vermag. Unsere derzeitige Kultur hat so viel von unserem Bewusstsein zensiert, insbesondere unser älteres Bewusstsein, das die Rhythmen von Wind und Regen und der Jahreszeiten kennt, das weiß, dass Samen über Jahre in der Wüste warten können, um zu grünen Trieben zu werden, und das die Geschichten der Erde, Ihre Mythen und Magie in sich trägt. Wir haben lange schon vergessen, wie die Erde und all Ihre Bewohner ein einziges Lebewesen sind, uralt, jenseits des Verstehens, umgeben von Sternen. Nur weil wir uns in unserem rationalen Bewusstsein isoliert haben, heißt es jedoch nicht, dass nicht andere Wirklichkeiten überall um uns da sind.

Diejenigen, die wach für diesen Moment sind, deren Herzen offen für die Trauer und das Beten sind, bekommen vielleicht einen kurzen Einblick, wie dieser Moment uns in eine andere Dimension des Seins nehmen kann, wo sich die Erde Selbst transformiert. Was das bedeutet, wissen wir nicht, denn auch unsere von den Ahnen ererbten Erinnerungen haben nur wenig Wissen über solche Transformationen. Aber wir können das Bewusstsein halten, dass dies das Ende einer Ära ist, nicht nur für die Menschheit, sondern auch für das Lebewesen, dem wir angehören – unser wunderschöner leidender Planet. Und da die Seele der Erde verzweifelt nach uns ruft und sich dadurch unsere Herzen in Trauer und Liebe öffnen, können wir an dem Mysterium teilhaben, Ihrer möglichen Transformation. Das ist eine Reise, die uns zurück zu den frühen Tagen nimmt, als die heiligen Namen der Schöpfung gegeben wurden und die Erde auf neue Weise erwachte, eine neue Note in das Lied der Schöpfung eingewebt wurde. Ein Funke dieser erwachenden Erde ist in dieser Zeit wieder gegenwärtig, ähnlich einem halblauten Lied in einer Frühlingsbrise.

Kollektiv befinden wir uns immer noch in der Denkweise der Trennung, in der unsere Welt seelenlos ist und gefühllose Materie. Und leider verharrt die Spiritualität meist in der Sphäre der persönlichen Entwicklung, trotz der Stimmen von Thich Nhat Hanh und anderen und dem Verständnis der meisten Indigenen, die immer wussten, dass unsere geistige Natur im Dienst des Lebens steht. Aber all die, deren Herzen den Schrei der Erde hören können – deren Liebe und Gebete hier sind, der verwundeten Welt zu helfen, und deren kleine Handlungen der Fürsorge und Güte diese Liebe in unsere Gemeinschaften und unser Umfeld bringen – können Teil dieses Mysteriums sein. Die Liebe wirkt auf geheimnisvollen Wegen, fließt durch unsere Hände und Herzen dahin, wo sie gebraucht wird, in das spirituelle Lebensblut unseres Planeten, in die verborgenen Wasseradern, wo sie die Samen für die Erneuerung des Lebens nähren können.

Wie die Zukunft sich entwickeln wird, ist noch ein Geheimnis, ist noch ungeformt. Selbst wenn wir die Zeichen des Großen Auflösens sehen, spaltet sich unsere derzeitige Zivilisation immer stärker, auch wenn sie in die Todesspirale eintritt. Es ist enorm wichtig, dass jene, die dieses Wissen halten und für die Zukunft von sieben Generationen und mehr arbeiten, sich nicht aufs Überleben und nicht einmal auf Nachhaltigkeit fokussieren, sondern auf den Raum zwischen den Erzählungen, der die Samen für diese lebendige Zukunft hält, für eine Daseinsweise, die sowohl zur organischen Natur des Lebens wie auch zum Göttlichen gehört, welches uns alle erhält. Und sie trägt die Möglichkeit einer tieferen Transformation, die nicht nur für die Menschheit, sondern für die Erde Selbst ist. Ohne diese Samen wird es keine lebendige Zukunft geben, sondern nur, wie es einige in ihren Träumen und Visionen gesehen haben, ein sich bis zum Horizont erstreckendes Ödland.

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