Transkript der Podcast-Reihe:
Geschichten für eine lebendige Zukunft

 

Zwischen den Welten, zwischen den Erzählungen, zu wandern, in einer Landschaft, wo alles ungewiss ist, erfordert Mut und Überzeugung und braucht den Wunsch, aus dem ausgedörrten Land unserer derzeitigen Zivilisation und ihren Konditionierungen herauszutreten, auch wenn wir noch auf ihren Straßen gehen, noch unsere Lebensmittel in ihren Supermärkten kaufen. Deshalb ist es so wichtig, Gemeinschaften zu haben, die uns unterstützen, und eine einfache spirituelle Praxis, die uns verankert. Und nach Möglichkeit einen Ort der Zugehörigkeit zu finden in einer Welt, die mehr und mehr aus dem Gleichgewicht gerät und sich zuweilen zunehmend verrückter zeigt. Wie wir diesen Ort der Zugehörigkeit finden, ist Teil unserer eigenen Geschichte. Oft kommt es unerwartet als Geschenk, wie ich es erfahren habe, als ich vor über dreißig Jahren in einer Ortschaft dicht beim Ozean ankam, wo sich die Leute im Laden alle zu kennen schienen. 

Wie ich bereits gesagt habe, ist alles, was wir erzählen können, unsere eigene Geschichte, die Fäden, denen wir gefolgt oder die in unser Leben eingewebt worden sind. Vor über einem halben Jahrhundert, als mich ein Zen-Koan aus einem grauen englischen Mittelklasseleben erweckte, fand ich mich in einem Garten an einem Fluss wieder, das Sonnenlicht funkelte auf dem Wasser und Farben waren da, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Alles war voller Licht, und Wunder und Freude waren präsent. Zum ersten Mal öffnete das Leben sein Tor zu Magie und Lachen. Es war wie die erste Liebe, völlig unerwartet. Mein Verstand versuchte nicht zu verstehen, aber über die Jahre habe ich diese Erfahrung als einen in sich vollständigen Moment bewahrt.

Jetzt, da sich die Jahreszeiten meines Lebens dem Ende zuneigen und ich nicht mehr dieser junge Mann in der Intensität des Erwachens bin, finde ich mich wieder in einem Garten und empfinde Dankbarkeit für einen weiteren Moment der Zugehörigkeit. Während ich älter werde, nehme ich die Welt außerhalb unseres Städtchens als immer fremder wahr, als immer schwerer zu verstehen. Ich habe lieber, was einfach ist – den Wind in den Bäumen, einen Becher heißen Tee, die Stille von Beten und Erinnern. Und die Schönheit des Geschenks eines Gartens.

Unser Haus am Hang über der Bucht hat einen wundervollen Garten, den meine Frau angelegt hat und mit Liebe pflegt, ihn mit Wasser versorgt und das Unkraut jätet. Er ist voller Farben und Düfte, Violetts, Gelbs und Rosas, Buddleja-Büschen und Fingerhüten, Clematis wallt über den Zaun, mit langen Schnäbeln trinken die winzigen Kolibris den Nektar. Es ist ein magischer Raum, und die Geister des Gartens sind so glücklich. Es gehört zu den Freuden meines Alters, im Hof zu sitzen und den Vögeln an den Futtersäulen zuzuschauen, meist Spatzen und Finken, und manchmal kommen auch Spechte mit ihren leuchtendroten Köpfen und picken sich Samen.

Wenn ich vom Reisen zurückkam, trat ich immer zuerst in den Garten und fühlte seinen Frieden, spürte seine natürliche Magie. Dann wusste ich, dass ich nach Hause gekommen war. Es ist ein Begegnungsort der Welten, wo alle willkommen sind. Ein heiliger Ort ist immer schon ein Raum für die Welten gewesen, zusammenzukommen – die Geister des Lands und die Wesen des Lichts, mit Menschen als Hüter oder Gärtner dieser Räume, die die Tore offen zu halten wissen, damit die Magie lebendig bleiben kann.

Traditionell sind Menschen immer Mittler zwischen den Welten gewesen. Nicht nur Schamanen und Heiler, sondern auch alle, die zur Trommel tanzten oder die Jagd träumten. Über Tausende von Jahren bewahrte unser Bewusstsein eine magische Wahrnehmung des Lands und seiner Bewohner, in Geschichten erzählt und Liedern erinnert. Wodurch diese Rolle aus unserem Bewusstsein verschwand, gehört zu unserer Geschichte des Vergessens, aber es gab einmal eine Zeit, wo alles Land eine multidimensionale Umwelt war, in vielerlei Weise erwacht. Wenn du also ein Tor finden kannst, das offen ist, bleib dort, beobachte deine Träume und fühle, was unsichtbar ist. Die inneren Welten brauchen uns, damit wir ihr Dasein erinnern, so wie das Licht es braucht, wieder willkommen geheißen zu werden. Geschichtenerzähler, Gärtnerinnen, Träumer, Liebende sind Worte, die auf unseren Urvertrag mit der Schöpfung hinweisen. Wenn wir dazu beitragen können, dass ein kleines Stück Erdboden wieder lebendig wird, dass auf einer Brache wieder Blumen wachsen und dadurch Bienen und Vögel angezogen werden, entdecken wir vielleicht: Wir sind zurück an einem Ort der Zugehörigkeit. Liebe und Fürsorge für die Erde sind Worte, die durch unsere Finger lebendig werden, und dann kehrt ein Funke in das Netz des Lebens zurück.

Nicht alle von uns können Bio-Bauern werden, Wildnisgebiete wiederherstellen oder Bäume pflanzen. Aber wir können alle fühlen, dass der Erdboden heilig ist, auch in der Stadt in einem Blumenkasten oder einem Kräutertopf auf der Fensterbank. Wir können unseren Kindern zeigen, wie man Samen in den Boden setzt, und mit ihnen das kleine Wunder des Keimens beobachten. Wir können auch den inneren Garten unserer Seele neu gestalten: einen Ort schaffen, der geschützt ist vor den Forderungen von Gier und Verlangen. Wir können daran arbeiten, dieses innere Land wieder zu erschaffen, das so oft vom Lärm und Gerümpel der Alltagswelt zugemüllt worden ist, es zu seiner natürlichen Schönheit und dem ihm innewohnenden Frieden zurückbringen. Durch Beten und Liebe bewässern und nähren wir den Garten, bis er in unser Leben hinein erblüht. Wie ich im vorausgegangenen Podcast über das Beten gesagt habe, stellte sich die hl. Teresa von Avila die Seele als einen Garten vor und verwendete die Figur eines Gärtners, der den Garten gießt, um die Stufen des Betens zu beschreiben, angefangen bei der ersten Stufe mit der harten Arbeit, das Wasser aus dem Brunnen hochzuziehen, bis zur letzten Stufe der Gnade, wo es regnet.

Durch Stille und Gnade fangen wir vielleicht an zu fühlen, wie unsere Seele und die Seele der Welt zusammenkommen und sich vereinen, wie sie zu einer einzigen Landschaft gehören, die auch unsere Aufmerksamkeit braucht. Unsere Partnerschaft war nie nur mit der physischen Welt und ihren vielen Arten, sondern immer mit allen Welten, den sichtbaren wie den unsichtbaren. Am Anfang flossen sie alle ineinander, erst viel später begann es, dass sie sich trennten und wir Initiationen und Praktiken brauchten, sie zu sehen. Aus diesem Grund können Kinder in den wenigen ersten Jahren in einer Welt der Verzauberung bleiben, bevor ihre Augen geschlossen werden.

Ich weiß nicht, welche Qualität der Wahrnehmung uns in den kommenden Jahrhunderten zurückgegeben werden wird. Ich hoffe, dass das Wiederverbinden mit der natürlichen Welt um uns herum uns helfen wird, die Scheuklappen unseres rein rationalen Bewusstseins hinter uns zu lassen und zu einer beziehungsorientierteren, verwandtschaftlicheren Weise zu gelangen, da zu sein und zu sehen. Gegenwärtig können wir nicht mehr tun als anzuerkennen, dass die uns umgebende Welt in so vielfacher Hinsicht lebendig ist und wir das noch gar nicht voll erfassen können, und uns gestatten, den Bäumen und den Bächen zu lauschen, um uns wieder dieser Lebendigkeit voll und ganz zu erinnern. Hier, in meinem eigenen Garten, ist dieses Treffen mit dem Heiligen einfach, lässt sich so ganz und gar in der Luft spüren wie die Süße des Geißblatts am Abend. Es ist wie eine Note, die beruhigt und mich an einen Ort der Zugehörigkeit erinnert, der nicht nur physisch ist. Wenn ich am Abend sitze und beobachte, wie die Schatten auf den Blumenbeeten länger werden und die Streifenhörnchen auf der Suche nach den aus der Futtersäule gefallenen Samen umherhuschen, fühle ich mich nicht mehr als Fremder in einer außer Kontrolle geratenden Welt.

 

 

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