Transkript der Podcast-Reihe:
Geschichten für eine lebendige Zukunft

Als ich allein am Strand spazieren ging, die Wellen vom Pazifik heranrauschten und die Sonne durch den morgendlichen Dunst schien, kam mir eine Idee. Ich dachte, es wäre vielleicht hilfreich, mehr über die Natur des Lichts zu erklären, über das ich in den letzten Podcasts so viel gesprochen habe.

Dieses Licht, das den Sufis als das mohammedanische Licht oder al-Nur al-Muhammadi bekannt ist, ist der erste Ausdruck der undifferenzierten Essenz, obwohl es auch mit Ihr identisch ist. Nach Ibn ‘Arabi begann die Schöpfung mit diesem Licht. Vor Tausenden von Jahren wurde eine Qualität dieses Lichts dem Homo Sapiens direkt zuteil, um ihn von seiner rein instinktiven Existenz zu befreien und ihm das Geschenk des Bewusstseins zu geben. Die menschliche Spezies wurde zur Wirklichkeit des Göttlichen erweckt, sowohl in ihr selbst als auch in der Welt um sie herum – damals gab es keine Trennung zwischen beiden. Diese Gabe des Lichts, des göttlichen Bewusstseins, wird manchmal in den Mythen als ein von den Göttern gestohlenes Feuer dargestellt. Aber es wurde nichts gestohlen. Es war ein Geschenk aus der Welt des Lichts, des Göttlichen.

Das Geschenk des Bewusstseins ermöglichte es diesen frühen Menschen, die Welt auf neue Weise wahrzunehmen, als magisches, lebendiges Wesen, dem sie angehörten, als Teil des Einen Geistes. Da dieses Licht direkt von der Quelle kam, konnten sie die Welt in ihrer göttlichen Natur sehen, numinos und wundersam lebendig. Hatte der Homo Sapiens zuvor wie die übrige Schöpfung nur den Überlebensinstinkt, so verspürten diese Menschen nun auch das Bedürfnis, zu lobpreisen und zu danken – denn sie erkannten das göttliche Wunder der Welt, in die sie hineingeboren worden waren. Dies war die Lebenswirklichkeit der Urmenschen, die in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler lebten.

Da die ersten Menschen nicht von der sie umgebenden Welt getrennt waren, lebten sie im ursprünglichen Zustand des Einsseins mit der gesamten Schöpfung. So war das Licht, das ihnen gegeben wurde, auch ein Geschenk an die Erde selbst. Mensch und Erde erwachten gemeinsam. Ein neues Kapitel in der Evolution der Erde begann. Die ursprüngliche, unveränderliche Essenz gab der Menschheit und der Erde Ihr Geschenk des Lichts – des göttlichen Bewusstseins – und so wanderten und sangen und tanzten und träumten sie miteinander. Es war der Beginn des “Träumens”. Das undifferenzierte Bewusstsein der Erde und der Menschheit erschuf die “Traumpfade” des Planeten und die Seelen der frühen Menschen.

Dieses Licht enthält das göttliche Bewusstsein der Menschheit und der Erde, denn zu dieser Zeit gab es keine Trennung zwischen ihnen. Später, viel später, entwickelte sich eine Spaltung, und das Eine Licht wurde als zwei erfahren: als transzendentes Licht, das Lumen Dei, und als Licht in der Schöpfung, das Lumen Naturae der Alchemisten. Am Anfang aber war alles Ein Licht, das in den Seelen der Menschen und in der Schöpfung lebendig war und in den vielfältigen Formen der Welt den Einen Geist erfuhr und pries. In diesem Licht, in diesem erwachenden Bewusstsein war beides, das Eine und das Viele.

In diesem Licht lag auch der “Plan”, die Weisungen für die Menschheit und die Erde, die den ersten Völkern als die Ursprünglichen Weisungen bekannt waren. Es ist der Entwurf, wie sich die Erde und die Menschheit gemeinsam weiterentwickeln und diesen ursprünglichen Prozess des Erwachens fortsetzen können. Die ersten Menschen kannten diese Weisungen instinktiv, sie waren Teil ihrer DNA. Später fanden sie ihren Ausdruck in Mythen und Geschichten, in verschiedenen Formen des Gebets und des Lobpreisens. Aber in der Frühzeit waren sie so selbstverständlich wie das Sonnenlicht. Die Menschheit und die Erde waren Teil eines Tanzes der Offenbarung.

Eine weitere Eigenschaft dieses Lichts war, dass es die Namen der Schöpfung kannte und übermittelte. Alles Geschaffene hat einen Namen, der im Buch des Lebens geschrieben steht. Dieser Name enthält die Bedeutung und die göttliche Bestimmung jedes Wesens, seine wahre Natur. Die Essenz jeden Tieres ist durch seinen Namen bekannt, ebenso wie die Essenz jeder Frucht und Blume, jeden Baumes und Flusses. Das Erwachen des Bewusstseins brachte das wirkliche Erkennen dieser Namen mit sich, und so war die Menschheit in der Lage, die wahre Natur von allem zu verstehen und sich auf sie zu beziehen. Im Koran (2:31) steht geschrieben:

“Er lehrte Adam die Namen
aller Dinge.”

Das bedeutet, dass Adam die innere Natur und die Eigenschaften der Dinge gelehrt wurden.1 So hatte der erste Mensch Kenntnis von der wahren Bedeutung der Namen der Schöpfung, welche zu den göttlichen “Geheimnissen von Himmel und Erde” gehören (Koran 2:33).2

Damals gab es ein Wissen, das heute tief verborgen ist – ein Wissen von der heiligen Bestimmung der Schöpfung, von ihrer Schönheit und ihrem Wunder. Und dieses Wissen wurde lebendig und sprach zu den Menschen in all den zahllosen Stimmen der Welt, in den Flüssen und Stürmen, in den Rufen der Vögel und der Tiere, in der Ursprache des Lebens. David Abrams beschreibt es so: “Für die Inuit, wie für viele andere Völker, sprachen Menschen und Tiere ursprünglich alle dieselbe Sprache.” Er zitiert eine Inuit-Frau: “Am Anbeginn, als die Erde mit Menschen und Tieren bevölkert war… sprachen alle dieselbe Sprache. Es war die Zeit, da die Worte magisch waren … Die als Schamanen oder Medizinmänner anerkannt sind, erinnern sich noch deutlich an die uranfängliche Sprache und können deshalb willentlich aus der rein menschlichen Unterhaltung schlüpfen, um sich dann direkt mit anderen Kräften zu unterhalten.”3

Wenn wir heute an die ersten Menschen denken, fällt uns nur ihr Kampf ums Überleben ein. Das Wunder der erwachenden Erde und wie unsere Vorfahren Teil ihrer Magie und ihres Mysteriums waren, haben wir längst vergessen. Aber wir können Spuren davon sehen, zum Beispiel in den ältesten Höhlenmalereien Südfrankreichs, wo einige Tiere eine schamanische Dimension haben. Es gab damals eine numinose Qualität, die schon vor langer Zeit aus unseren Erinnerungen gelöscht worden ist. Doch es war das Geschenk des Lichts, dass dieses lebendige Einssein in das erwachende Bewusstsein der Menschheit brachte, zusammen mit dem Wunder der Vielfalt der erschaffenen Welt, den vielen Farben der Schöpfung, die aus der Einen Quelle des reinen Lichts geboren wurden.

In diesem Licht, dem Licht der Seele und der Weltseele, bleibt die göttliche Absicht der Schöpfung gegenwärtig, auch wenn wir sie im Laufe der Jahrtausende begraben und uns andere Geschichten erzählt haben. Die wahre Bestimmung ist in allem präsent, im Kolibri im Garten, im Kojoten auf dem Weg – sie ist sowohl in ihrer Lebenskraft als auch in ihrem Überlebensinstinkt. Deshalb gehe ich gern in den Feuchtgebieten spazieren, wo ich dieses Licht sehen, seine Gegenwart spüren und seine Geschichte hören kann, die so anders ist als der toxische Lärm der Welt um mich herum. Es ist in der schlichten Anmut des Reihers, der seinen langen Hals beugt, um unter Wasser einen Fisch zu packen. Dieses Licht und seine Schönheit können nicht kontaminiert werden. Es ist zu rein, seine Schwingung zu schnell. Es ist die lebendige Quelle, eine direkte Verbindung zur ungeborenen und unsterblichen Essenz. Es ist das Göttliche in der Welt, das noch immer unermüdlich zu uns spricht, auch wenn wir meist schon lange verlernt haben, wirklich zuzuhören.

Die Geschichte der Erde und die Geschichte der Menschheit trennten sich vor Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, und werden heute in unterschiedlichen Sprachen erzählt. Heute scheinen sie im Widerspruch zueinander zu stehen, denn unsere menschliche Geschichte zerstört das Ökosystem, vergiftet Flüsse, holzt Wälder ab und lässt Arten aussterben. Aber wenn wir zu diesem ursprünglichen Geschenk des reinen Bewusstseins zurückkehren, vor allem mit einem für die Liebe offenen Herzen, sind die Ursprünglichen Weisungen immer noch gegenwärtig. Und da sich die Quelle immerfort verändert und weiterentwickelt, obwohl sie beständig bleibt, haben sich auch die Weisungen verändert. Es gibt zum Beispiel neue Wege des Lobpreisens und Danksagens, neue Wege, um zum Bewusstsein einer magischen Erde zurückzukehren – was ich in meinen Publikationen eine Tiefenökologie des Bewusstseins genannt habe.

Alles, was wir brauchen, ist eine Rückkehr zur Liebe, die im Herzen und im ganzen Leben gegenwärtig ist.4 Das Licht ist stärker als all unsere Kräfte des Vergessens, und da es außerhalb der Zeit existiert, kann es nicht durch unsere Geschichte und ihre Missbrauchsmuster verunreinigt werden. Es ist präsent in der Allgegenwart der Aborigines, in der das Träumen immer noch weitergeht. Das ist die Natur des geschenkten Lichts.

 

DAS LICHT IM HERZEN

Es ist auch wichtig zu erkennen, dass dieses Licht für die Mystikerin und den Mystiker eine persönliche Qualität hat. Das spirituelle Leben ist eine Reise, die mit dem Erwecken der Liebe und des Lichts unserer göttlichen Natur beginnt, die uns dann zur Quelle zurückführt. Dieses Erwachen ist immer ein Akt der Gnade, ein Geschenk. Das göttliche Licht dringt in unser spirituelles Bewusstsein und lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf Gott. Im Sufismus wird diese Liebe zur Sehnsucht, zum Schrei des Herzens, der uns in den unendlichen Ozean der Liebe ruft, in dem, wie Rumi sagt, “Schwimmen immer mit Ertrinken endet”. Jedes Gefühl der Trennung löst sich auf, wenn der Liebende mit dem Geliebten verschmilzt und sich die Wahrheit in ihrer ursprünglichen Einheit enthüllt.

Dieselbe Einheit, die die Urvölker in der Welt um sich herum erlebten, wird im Herzen erweckt, wenn uns das Licht unsere göttliche Natur und die Einheit des Seins offenbart. Auf dem Sufi-Pfad, dem ich gefolgt bin, wird dieses Licht weiterhin geschenkt, es wird als Übertragung göttlicher Liebe direkt in das spirituelle Herz des Wanderers gegeben. Diese Energie brauchen wir, um die Reise fortzusetzen, um aus der Trennung zurück zur Vereinigung zu gelangen.

Da diese Liebe direkt aus der Quelle kommt, aus der Größeren Liebe, zu der wir alle gehören, kennt sie unseren wahren Namen. Jeder Mensch hat einen Namen, der im Buch des Lebens geschrieben steht. Dieser Name enthält unsere wahre Bestimmung und unser spirituelles Schicksal, das Schicksal der Seele und nicht des Egos. Wenn wir zum ersten Mal erwachen, wendet sich unsere Aufmerksamkeit vom Ich – mit seinen Mustern von Wünschen, Erfolgen und Misserfolgen – zum Schicksal der Seele, das unsere wirkliche Evolution umfasst. So können wir auf Gott schauen und auch der Welt dienen, denn der Sufismus ist ein Weg des Dienens. Wir streben danach, Diener Gottes zu sein, dessen bevorzugter Name “Diener der Diener” ist.

Das Licht und die Liebe, die uns durch den Pfad geschenkt werden, bringen uns mit dieser tieferen Bestimmung in Einklang. Sie ist für jeden Menschen individuell, weshalb einer meiner ersten Träume davon handelte, einen Topf für meine Lehrerin zu finden, in dem man jedes Ei jeweils einzeln kochen kann. Wir alle sind ein einzigartiger Ausdruck des Göttlichen, des Großen Künstlers, für den jedes Schöpfungswerk unwiederholbar ist. Und während wir in unserem Ich-Dasein oft in den Mustern des Kollektivs gefangen sind, ist die Reise nach Hause für jeden von uns anders, eine Reise vom Alleinigen zum Alleinen. Die Liebe und das Licht, die uns geschenkt werden, tragen das Geheimnis von Einheit und Verschiedenheit in sich. So wird jedem von uns je nach unserer wahren Natur eine andere Qualität und Quantität dieser Liebe gegeben – auch wenn die Liebe das Einssein offenbart, dem wir angehören.

Als ich vor einiger Zeit meine Lehrtätigkeit beendete, erklärte ich denjenigen, die einige Jahre bei mir waren, dass sie alle individuell bekommen hätten, was sie für die Vollendung ihrer Seelenreise brauchen. Ich glaube, viele haben damals nicht verstanden, was ich meinte. Aber spirituell gesehen war es ganz einfach. Wenn ein Mensch lange genug bei mir gesessen und die grundlegende Arbeit getan hatte – ein Gefäß in seinem Herzen und seiner Psyche zu schaffen – wurde ihm eine Qualität von Licht und Liebe direkt in sein Herz gegeben, in seine höheren spirituellen Zentren, die ihn nach Hause bringen kann. Sie wurde mit seinem wahren Namen und dem Namen Gottes in sein Herz eingraviert. Dies war ein sehr direkter Prozess.

Die Liebe und das Licht gehören zu einer Dimension der Einheit, auch wenn sie in die Vielfalt fließen. Diese Energie ist in der Quelle immer gegenwärtig, auch wenn sie in den vielen Formen der Schöpfung lebendig wird, oder in diesem Fall in den vielen Herzen der anwesenden Menschen. Wie schon erwähnt, bin ich in die Welt des Lichts genommen worden, und so konnte ich es all jenen geben, die mit mir zusammen waren. Sie brauchen für den Rest ihrer Inkarnation spirituell nichts mehr; es genügt, mit den spirituellen Praktiken fortzufahren und nach den Prinzipien des Pfades zu leben. Das war mein Geschenk.

 

DIE ZWEI WELTEN

Es ist wichtig zu verstehen, dass im Gegensatz zur zunehmenden Komplexität unserer heutigen Kultur die Natur dieses Lichts – die spirituelle Essenz in der Schöpfung und in unserem Herzen – sehr einfach ist. Es ist das Eine Licht, das in der Welt und in unserem Herzen lebt, das Licht der Einheit, das keine Trennung kennt. Dieses Licht singt in der lebendigen Ursprache des Lebens unseren individuellen Namen sowie den Namen von allem, was erschaffen ist.

Es ist eine der unausgesprochenen Tragödien der menschlichen Geschichte, dass wir diese Namen vergessen haben, denn wenn wir unseren Namen nicht kennen, können wir unseren Weg nicht finden. Aber wenn wir zum Herzen und zum Licht im Herzen zurückkehren, sind wir in diesem Moment in und außerhalb der Zeit präsent, wo es keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt, sondern nur eine Qualität des Seins, die zu unserer wahren Natur gehört. Die Reise besteht dann darin, einfach bei diesem Gefühl, bei dieser inneren Orientierung zu bleiben und zuzulassen, dass sie uns dorthin zurückführt, wo wir hingehören.

So viele der uns heute erzählten Geschichten sind falsch – Lügen, die auf Lügen basieren. Sie stammen von einer Zivilisation, die ihren Weg verloren hat. Sie hat sogar vergessen, dass unsere Welt ein einziges Wesen ist, bei dem Geist und Materie nicht getrennt sind. Die Wissenschaft spricht von einem Universum, das aus einem Urknall vor fast vierzehn Milliarden Jahren entstanden ist, ohne zu verstehen, dass Materie manifestierter Geist ist, wie alles aus dem bereits existierenden Licht erschaffen wurde. Aber um uns herum wird noch eine andere Geschichte erzählt, die sich in unzähligen Formen voller Schönheit offenbart, in denen das Licht der ersten Sterne noch präsent ist. Es ist eine Welt, in der sich das göttliche Bewusstsein ständig weiterentwickelt und seine Geschichte immer wieder neu erzählt. Und wir sind ein Teil davon, unser eigenes individuelles Bewusstsein ist ein Funke in dieser größeren Entfaltung.

In diesen Geschichten habe ich von diesem Licht erzählt, wie es vor uns verborgen wurde und wie es sich enthüllt. Der erste Tag gehört nicht nur einer fernen Vergangenheit an; er gehört zum Funken göttlichen Lichts im Herzen, zum Gefühl der Liebe für die Erde. Die Arbeit des Mystikers und der Mystikerin besteht seit jeher darin, diesem Licht, dieser Liebe treu zu bleiben, ein Teil dieser Achse zu sein, die sich in jedem Atom der Schöpfung dreht.

In den frühen Tagen der Pandemie, als ich “Als die Quelle frei floss” schrieb, richtete ich auch einige Worte an Mystiker und Liebende,5 denn ich spüre tief in meinem Herzen, dass wir eine zentrale Rolle in der Welt zu spielen haben, im sich entfaltenden Mysterium der Liebe, das Leben genannt wird:

Mit unseren Gebeten und unseren Praktiken, mit dem Erinnern des Herzens und dem Lied der Seele, die nach Hause geht, tragen wir das mystische Licht der Welt, leben wir diese essenzielle Wahrheit. Mit den Worten einer christlichen Mystikerin:

Eine jede von Gott erschaffene Kreatur
Muss ihre wahre Natur leben;
Wie kann ich meiner Natur widerstehen,
Die für das Einssein mit Gott lebt?6

Die Arbeit jener, die durch den Faden der göttlichen Liebe zu Gott zurückgezogen werden, ist einfach: es geht darum, diesen Ruf mitten im Alltag zu leben. Während die Welt sich dreht, bleiben wir mit dieser grundlegenden Achse der Liebe verbunden, die jeden Tag und die ganze Schöpfung durchzieht. Würde diese Reise nicht gelebt, würde dieses Lied der Seele nicht gehört, ginge eine ins Gewebe des Lebens eingewirkte Farbe verloren, eine Note könnte nicht mehr vernommen werden. Wir gehören dem Leben und dem Göttlichen an, und solange wir diese Zugehörigkeit mit unseren Gebeten und unserer Hingabe, mit dem Atem in unserem Körper und der Leidenschaft in unserem Herzen leben, halten wir das Bewusstsein göttlicher Liebe lebendig, diesen Funken im Herzen der Welt. Ich kann nicht genug betonen, wie wertvoll, wie wichtig es ist, diese einfache Wahrheit zu leben, zu atmen – besonders in dieser Zeit der äußeren Wirren.  

Die Reise geht weiter, die Reise geht immer weiter. Und seit Anbeginn gab es Seelen, Männer und Frauen von jeder Herkunft, die auf diese Reise gerufen wurden, gezogen von Liebe zurück zur Liebe – aufgerufen, das essenzielle Einssein von Liebendem und Geliebtem, die Vereinigung mit der göttlichen Liebe wiederzuentdecken. Man nannte sie je nach Zeit und Gegend sehr unterschiedlich: Diener Gottes, Gottliebende, Mystikerinnen, Narren der göttlichen Liebe. Aber das sind nur Worte für ein Geheimnis, welches zuerst tief im Herzen stattfindet und sich dann bis in jede Zelle des Körpers ausbreitet, in unsere Gedanken und Gefühle, in unsere Träume und die Weise, wie wir unsere Füße auf die Erde setzen.

Vergiss nicht, vergiss niemals dieses Mysterium der göttlichen Liebe, diesen Schrei des Herzens, diese Sehnsucht der Seele. Wir nehmen am äußeren Leben teil, wie Rumi sagt: „Ich bin der Schmerz des Kranken“, wir helfen, wo wir können, immer im Dienst des Lebens, im Dienst der Liebe, im Dienst unseres Geliebten. Und wir bleiben diesem Rufen unserer Seele treu, diesem Liebesfaden, der uns nach Hause zieht. Während die Welt viele Leidenschaften lebt, leben wir diese eine Leidenschaft – die Tränen, den Herzschmerz und die Seligkeit göttlicher Liebe. Während die Welt viele Sehnsüchte hat, haben wir nur diese eine Sehnsucht: mit unserem Geliebten zusammen zu sein. Ob wir gegen Ungerechtigkeit demonstrieren, Kranke pflegen, für unsere Familie sorgen, ein Essen zubereiten oder in stillem Gebet sitzen, immer ist unser Herz auf den Geliebten ausgerichtet, immer ist Sein Name auf unseren Lippen, das Erinnern der Liebe ist unsere Pflicht und unsere Freude.

Heute leben wir in einer Zeit des großen Vergessens, in der selbst die heilige Natur der Erde nicht mehr Teil unseres kollektiven Bewusstseins ist. Vor langer, langer Zeit halfen die Meister des Lichts den Homo Sapiens und die Erde zum Bewusstsein des Göttlichen zu erwecken, und das Lied der Schöpfung wurde zum ersten Mal gehört. Und nun, nachdem so viele Jahrtausende vergangen sind, ist das Werk dieser Meister vollendet und ein Zyklus der Schöpfung geht zu Ende – sie haben die Menschheit und die Erde auf die nächste Ära ihrer gemeinsamen Evolution vorbereitet. Einem Freund wurde dies vor einigen Jahren, kurz vor seinem Tod, in einem Traum gezeigt: “Er trifft Llewellyn zusammen mit anderen großen körperlosen Meistern. Die Meister erklären ihm, dass sie nun der ganzen Erde und jedem Wesen (Menschen, Tieren und allen anderen Wesen) das göttliche Licht gegeben und gespiegelt hätten. Jetzt sei diese Arbeit vollendet.”

Das Licht des göttlichen Einsseins, der Einheit des Seins, ist der gesamten Schöpfung eingeflößt worden. Der nächste Schritt für die Menschheit besteht darin, Verantwortung für unsere Beziehung zur lebendigen Allverbundenheit der Biosphäre zu übernehmen, und – für diejenigen, die spirituell erwacht sind – für das Licht in der Schöpfung, ihre heilige Natur. Wir können nicht zum instinktiven Einssein der ersten Völker zurückkehren, die vor dem Sündenfall „im Garten Eden“ in Harmonie mit dem Einen Geist lebten. Aber wir können es uns auch nicht leisten, in der zunehmenden Ödnis zu verharren, die durch unsere Gier und Ausbeutung, durch unser Vergessen der Ursprünglichen Weisungen verursacht wurde. Für jeden Menschen auf dem Pfad kommt eine Zeit, in der er die Verantwortung für seinen eigenen Weg tragen muss, für das Licht und die Liebe, die ihm geschenkt wurden. Jetzt ist diese Zeit auch für die gesamte Menschheit gekommen. Sie ist aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen für ihre Beziehung zur lebendigen Erde und für den gemeinsamen Weg.

Die Arbeit in diesem Grenzraum zwischen den Epochen besteht nun darin, die Samen des lebendigen Einsseins zu hegen, die in unsere Herzen und in die Welt um uns herum gepflanzt wurden – sie mit unserer Liebe und Fürsorge für die Erde zu nähren. Vor Tausenden von Jahren wurden wir zum Wunder und zur Magie der göttlichen Gegenwart in der Schöpfung erweckt. Und dasselbe Licht, das in der Erde erwacht ist, ruft uns zurück zur Liebe im Herzen, damit die Welt nicht vergisst. In meinem eigenen Leben habe ich seit meinem sechzehnten Lebensjahr versucht, dieses Licht zu leben, sowohl in seiner Offenbarung von Moment zu Moment in der äußeren Welt – das leuchtende Licht, das auf den Wassern der Welt glitzert und sich in ihnen spiegelt – als auch in dem sich vertiefenden Mysterium der inneren Welten. Ich habe versucht, einige seiner Geheimnisse zu teilen, obwohl Worte seine Leuchtkraft nicht beschreiben können. Es ist wie ein Koan, das die Muster des Verstandes durchbricht, zu klar und einfach, um verstanden oder auch nur erfasst zu werden. Ich hoffe, dass es seinen Weg zwischen meinen Worten gefunden hat – durch die Räume, die leer geblieben sind. Ich weiß, dass es im Herzschlag der Welt gegenwärtig ist, und heute Morgen begrüßte es mich im Sonnenlicht, nachdem sich der Nebel aufgelöst hatte.

©2024 The Golden Sufi Center, www.goldensufi.org

  1. In der Bibel, Genesis 2:20, wird Adam von Gott ermächtigt, den Geschöpfen der Schöpfung Namen zu geben: “Und Adam gab Namen allem Vieh und den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes”. Im Hebräischen bedeutet “Adam” “Mensch”, und im Sufismus ist Adam das wesentliche menschliche Wesen.
  2. Nach Ibn ‘Arabi wurde dieses Wissen um die Namen durch die Nachfolge der vollkommenen Menschen weitergegeben: “Die vollkommenen Menschen hörten nie auf, die Namen voneinander zu empfangen, bis die Namen schließlich den größten Meister, Muhammad, erreichten.” Chittick, The Self Disclosure of God, S. 154.
  3. David Abrams, The Spell of the Sensuous. Deutsche Ausgabe: Im Bann der sinnlichen Natur, thinkOya Verlag, 2012, Seite 104.
  4. Liebe und Licht sind hier gleichbedeutend, denn die Liebe strömt direkt aus der ungeschaffenen Quelle, und das Bewusstsein des Herzens weiß um die Einheit des Seins in der Vielfalt der Schöpfung.
  5. Rückkehr zur Liebe, Juni 2020.
  6. Mechthild von Magdeburg, Meditations from Mechthild of Magdeburg.